31 Ist Bagdad Lubumbashi genug?

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Im Auto, das nun wieder von Georg chauffiert wurde, hatte Martin das dringende Bedürfnis, einige Dinge klarzustellen. Er wies Georg noch mal darauf hin, dass er eisern verliebt und verlobt war. Mit Tom vereinbarte er, den Beichtbrief an die jeweilige Verlobte am selben Tag abzuschicken, damit nicht eine von ihnen die Verfehlung ihres Verlobten auf einer Damentoilette erfahren musste.

„Ihr schreibt das Euren Verlobten?"

„Ja, wir haben ihnen versprochen, das zu tun. Sie uns übrigens auch. Wir haben genug andere Geheimnisse."

„Das muss an der Sonne liegen, dass die Frauen so auf Euch fliegen. Ich hatte auf einem Lehrgang einen Kollegen, der war Halbgrieche, der hatte jede zweite Nacht eine andere. Sah auch verdammt gut aus, und konnte zeichnen wie Beethoven."

„Beethoven war der mit der Halle, Georg. Zeichnen ist mehr Picasso oder so."

„Weiß ich auch, der mit den kaputten Uhren. Natürlich kenne ich Beethoven. Das war ein Scherz."

„Da bin ich aber froh. Der mit den Uhren..."

„Ist Dali, ich weiß. Schon wieder ein Scherz."

„Da bin ich aber schon wieder froh. Warte, ich lache mal eben. Haha."

„Und, sind wir immer noch Feinde?"

„Sagen wir Gegner, Georg. Solange Du beim deutschen Geheimdienst bist, bist Du ein Gegner. Martin wird Dir nachher erklären, warum, soweit das geht, okay, Martin? Immerhin, eine Nacht mit einem Feind geschlafen, auch noch nicht gehabt."

„Mach ich, Tom. Georg, frag doch mal Bilski, ob er Dich mit nach Tripolis nimmt, im März, da fliegen wir nämlich zusammen mit ihm hin."

„Das wäre genial. Nürnberg ist so verdammt weit von Bonn."

„Das ist auch gut so. Denk dran: Ich bin verlobt. Ach so, sag mal, der Halbgrieche, weißt Du seinen Namen noch?"

„Das war noch beim MAD, warte mal, irgendwas mit B... ich weiß wieder, Bernd. Passte irgendwie gar nicht. Nikos oder Manos oder so, das hätte besser gepasst."

„Ich finde Dimitrios toll."

„Stimmt, schöner Name, hätte auch gepasst. Der hat übrigens richtig Glück gehabt, jetzt fällt es mir wieder ein. Ich war ganz schön neidisch. Ich hab ihn zuletzt im Amt getroffen, da hat er mir erzählt, er darf nach Griechenland gehen, verdeckt. Der darf den Agenten machen und ich schaukele Przybilski durch die Gegend."

„Georg, was hältst Du davon, wenn Du uns und unsere Verlobten mal in Athen besuchst? Eigentlich könntest Du von Tripolis aus mit nach Athen fliegen, wenn Du schon mal da unten bist. Tom, was meinst Du?"

„Warum nicht? Irgendwie passt der Kerl zu uns. Ich sehe da aber ein Risiko."

„Eure Frauen? Keine Angst, ich hab schon verstanden, dass Ihr beide vergeben seid."

„Nein, das nicht. Hör genau zu, Georg. Es könnte sein, dass Du danach einen neuen Job brauchst, weil Du für den alten nicht mehr taugst. Das Risiko sollte Dir bewusst sein."

„Du sprichst in Rätseln."

„Deswegen habe ich gesagt, Du sollst genau zuhören. Wenn Du so bist, wie ich Dich einschätze, dann könnte es sein, dass Du Deinen Job hinschmeißt, wenn Du in Athen gewesen bist. Du wärst nicht der Erste."

Martin beschloss, die Geheimniskrämerei zu beenden:

„Georg, such Dir mal einen Parkplatz."

An der Raststätte Remscheid verließen sie die Autobahn, stiegen aus und gingen einen Kiesweg den Berg hoch, weg vom Lärm der Straße.

„Tom und ich gehören zu einer Widerstandsgruppe gegen die griechische Diktatur. Wir haben letztes Jahr auf einer Insel, wo ein KZ ist, einen deutschen Spion ausgehorcht, er hieß Bernd. Wir sollten nur rauskriegen, wer er ist und was er macht, aber wir haben uns angefreundet. Bernd ist nicht mehr im deutschen Dienst. Bernd gibt es nicht mehr. Es gibt irgendwo in Griechenland einen Maler, der sieht ihm sehr ähnlich, zum Verwechseln eigentlich."

Georg sah ihn mit großen Augen an.

„Bernd ist in Eurer Gruppe? Ich glaube, ich sollte mir das in Athen mal ansehen. Ihr seid spannende Leute. Zu blöd, dass ich nicht malen kann."

„Was kannst Du denn, außer Geheimdienst natürlich."

„Ich hab Radio- und Fernsehtechniker gelernt, beschäftige mich nebenbei mit Aufnahmetechnik. Ich habe ein kleines Richtmikro entwickelt, das bis zu zweihundert Meter aufzeichnet, oder durch gemauerte Wände hindurch. Prototyp ist fertig."

„Mit solchen Talenten könntest Du auch in Griechenland arbeiten. Siehst Du, schon könnte es gefährlich werden."

„Das Risiko ist es mir wert. Ich will gerne Eure Gruppe kennenlernen. Ich schwöre, niemand erfährt ein Wort."

„Besser so. Wenn doch, schlafe ich nie wieder mit Dir."

„Weiß ich doch. Übrigens: Sozialisten wollt Ihr sein und kennt Lubumbashi nicht? Nie was von Patrice Lumumba gehört?"

Tom und Martin hatten den Namen schon gehört.

„War da nicht irgendwas im Kongo?"

„Ja, da war was. Er war auch Sozialist, Ministerpräsident im Kongo. Unsere amerikanischen Freunde und die Belgier haben ihn 1961 umbringen lassen. Seitdem ist Mobutu an der Macht, der Spitzbube. Neuerdings heißt der Kongo übrigens Zaire."

„Und was ist mit Lubumbashi?"

„Hauptstadt von Katanga, wo all unsere wertvollen Rohstoffe herkommen. Da haben sie Lumumba erwischt."

„Du interessierst Dich für sowas?"

„Anfangs nicht, aber seit ich mit Bilski unterwegs bin, bin ich neugierig geworden, hab ja auch jede Menge Zeit zum Lesen."

„Männer, ich hab da gerade eine Idee. Am Samstag, dem 29. Januar kommen Status Quo in die Stadt, wo ich zur Schule gehe. Wollen wir hingehen?"

„Machen die nicht so lächerliche Hitparaden-Kaugummi-Musik?"

„Früher mal. Jetzt sollen sie ganz gefährlich rocken."

„Rock im Sauerland? Warum nicht? Das passt sogar ganz gut, ich habe am Montag, dem 31. frei. Und noch besser: Jürgen hat den Führerschein. Kommen wir eben zu zweit. Georg, was ist mit Dir? Ein langes Wochenende im Sauerland?"

„Ich habe das ganze Jahr noch keinen Urlaub gehabt, die Tage nehme ich mir frei."

„So alt ist das Jahr ja nun auch noch nicht."

„Ich meine das letzte Jahr. Immer, wenn ich wollte, ist irgendwas wahnsinnig Wichtiges dazwischengekommen."

In Hohenberg wurden sie von Toms Eltern mit einem Mittagessen bewirtet, und dann fuhren Georg und Martin weiter nach Nürnberg, wo sie unerklärlicherweise erst am Sonntag ankamen.

***

Am späten Samstagnachmittag klingelte das grüne Telefon auf der Kommode im Wohnzimmer des Kanzleramtsministers. Der Mann, der auch für die Geheimdienste zuständig war, hielt erschrocken den Hörer auf Armlänge:

„...tut man diesen Deppen einen Gefallen, und dieser Idiot reißt mit dem Hintern ein, was unsereiner..."

„Bilski, denk an Deinen Blutdruck. Atme mal tief durch, und dann der Reihe nach."

Der alleroberste Chef aller Geheimdienste lauschte dem Bericht seines Ex-Kollegen, der nun offiziell nur ein Parteiamt bekleidete.

„Was hat es mit diesem Tom auf sich, dass ich Müller in den Dschungel schicken soll?"

Er lauschte wieder.

„Hör auf, hör auf, ich will's nicht wissen. Wenn Du IRA und Gaddafi in einem Satz sagst, schalte ich sofort auf Durchzug. Lass mich überlegen. Gib mir eine Stunde, ich rufe zurück."

Er telefonierte mit den Chefs des Inlands- und des Auslandsdienstes, ohne ihnen Details zu nennen. Er war schließlich ihr Chef.

„Bilski, der Auslandsdienst eröffnet demnächst ein Büro in Bagdad. Ist das Lubumbashi genug?"

Bilski war zufrieden.

Die richtigen Leute Band 4: Das Ende der AngstWo Geschichten leben. Entdecke jetzt