1 Der Colonel und der goldene Dolch

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Dave kam gut gelaunt in Sandhurst an. Es war der 6. September 1971, der erste Tag seines Abschlussjahrs. Das würde er auch noch überstehen. Die letzten zwei Wochen in Athen waren ruhig verlaufen. Einmal hatte er mit Sandy in Patras einen Mann abgeholt, und einmal begleitete er Nikos auf einer Kurierfahrt, der Rest war Urlaub. Er war mit Anna für ein paar Tage nach Kreta gefahren, wo sie bei Andreas und Lydia wohnten.

Als er sich auf den Weg zu der benachbarten Kaserne machte, wurde er nervös. Der Grund war ein kleiner, goldener Dolch, den er im Gepäck hatte, ein Geschenk von Oberst Gaddafi für seinen ehemaligen Ausbilder. Ein Mitarbeiter der libyschen Botschaft hätte das doch eigentlich genauso gut erledigen können.

Oberst Steltzner ließ ihn nicht lange warten.

„Dave, schön, dass Du mich besuchst. Passiert nicht oft, dass jemand aus dem College freiwillig herkommt. Bitte setz Dich."

„Herr Oberst, ich soll Ihnen Grüße bestellen von einem Mann, den Sie ausgebildet haben."

„Wer könnte das denn sein? Jemand aus Newcastle? Du kommst doch aus Newcastle, richtig?"

„Nein, niemand aus Newcastle. Oberst Gaddafi. Er hat mir auch etwas für Sie mitgegeben."

Steltzner starrte verblüfft auf den goldenen Dolch. Er hatte einen Agenten erwartet, nicht einen Internatsschüler. Er öffnete die Schreibtischschublade und suchte irgendetwas.

„Hat Dir den Gaddafi selbst gegeben?"

„Ja, wir haben ihn getroffen."

„Wir? Wer ist wir? Du warst in Libyen?"

„Ja, Herr Oberst, mit ein paar Freunden."

Der Soldat konnte sich nicht vorstellen, wie dieser Junge, der zwar im College zu den besten gehörte, aber recht zurückhaltend war, nach Libyen gekommen und vor allem, wie er den Staatschef getroffen haben sollte. Doch der Dolch war der Beweis. Seit Monaten hatte er darauf gewartet. Endlich ergab sich die Gelegenheit, seinen lange gehegten Plan in die Tat umzusetzen, der immer daran gescheitert war, einen Weg zu finden, die Baupläne nach Libyen zu schaffen, ohne zu riskieren, vom Geheimdienst entdeckt zu werden.

„Dave, dieser Dolch sagt mir eine Menge über Dich. Zum Beispiel, dass Oberst Gaddafi Dich ausgesucht hat, um den Kontakt zwischen uns herzustellen. Und vor allem, dass Du einen Weg weißt, wie ich ihm auch ein Geschenk zukommen lassen kann."

Dave hatte etwas Ähnliches vor ein paar Monaten erlebt. Ganz sicher würde er nicht den Kurier zwischen diesen beiden spielen. Legal konnte das „Geschenk" nicht sein, das er transportieren sollte. Er war froh, dass Steltzner, im Gegensatz zu den Iren, kein Druckmittel hatte.

„Herr Oberst, bei allem Respekt, ich glaube nicht, dass ich für Sie etwas Illegales tun möchte."

„Das glaube ich auch nicht, aber der Dolch sagt mir, Du wirst es tun. Er sagt mir auch, dass Du weißt, wo Du mein Geschenk übergeben kannst. Vielleicht in Libyen, vielleicht in Rom oder London. Du wirst wissen, wo. Wieso warst Du eigentlich in Libyen? Du wärst der Erste, der da als Tourist hinreist."

Dave fiel keine Antwort ein.

„Womit wir beim Thema „illegal" wären. Du warst illegal in Libyen, und das haben unsere Behörden gar nicht gern. Stell Dir vor, jemand erfährt das. Dein Direktor wird Dich von der Schule verweisen, die Armee wird Dich nicht nehmen, und studieren kannst Du vielleicht im Ausland, wenn Du irgendwo einen Schulabschluss machst. Also, was hast Du in Libyen verloren?"

„Meine Sache." Dave wollte sich nicht einschüchtern lassen. „Niemand weiß, dass ich in Libyen war."

Der Oberst winkte ihn hinter den Schreibtisch und zeigte ihm das kleine Tonbandgerät.

Die richtigen Leute Band 4: Das Ende der AngstWo Geschichten leben. Entdecke jetzt