27 Zwei Gründe, zu töten

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Dann kam Georgios zurück. Er roch zwar besser, aber Form und Farben seines Gesichts waren kein schöner Anblick. Als alle saßen, begann Basilis:

„Georgios, was ich in den letzten 24 Stunden erlebt habe, war nicht schön. Du bist zu den Kommunisten übergelaufen, Du willst alle unsere Mitglieder und unsere Aktionen verraten, an einen Staat, der eine schlimmere Diktatur als unsere ist..."

„Basilis, entschuldige, aber Du wolltest anders anfangen," unterbrach ihn Nikos.

„Nikos hat recht. Ich möchte mich dafür entschuldigen, dass Dich Tom so verprügelt hat. Ich habe ihn deswegen schon ermahnt. Er wollte sich auch bei Dir entschuldigen."

Tom stand auf und streckte Georgios betont widerwillig seine Hand hin:

„Tut mir leid, Schwager, ich bin etwas zu weit gegangen. Du bist trotzdem ein Arschloch. Jetzt habe ich vielleicht die Ostdeutschen am Hacken, und Du..."

„Tom, halt Dich zurück. Ich denke, Du wolltest Dich entschuldigen, jetzt fang nicht schon wieder an."

„Schwester, ich habe es Dir schon mal gesagt: das Einzige, wofür er sich entschuldigen muss, und zwar bei Euch allen, das ist, dass er mich nicht totgeschlagen hat. Vielleicht hätte er's, wenn Du nicht dazwischen gegangen wärst. Dann hätte ich auch wieder Respekt vor ihm. Und redet nicht so abfällig über Ostdeutschland. Sie wollen wie wir die Weltrevolution."

„Das ist albern. Wenn Du tot bist, Respekt haben."

„Georgios," wechselte Stelios das Thema, „Du kennst die Leute in der Wohnung inzwischen ganz gut. Ich fand die damals nicht so überzeugend. Dave hat kürzlich gesagt, er würde jedem aus unserer Gruppe sein Leben anvertrauen. Das schließt Dich übrigens ein. Würdest Du das über die auch sagen?"

Georgios überlegte einen Augenblick. Wenn man keine gute Verteidung hat, sollte man angreifen:

„Hör auf mit dem Geschwafel von Vertrauen. Ihr habt mir doch nie vertraut. Immer, wenn es um was Wichtiges ging, hieß es Tom, Nikos, Martin, Sandy und, hurra!, der Kindergarten, Phil. Der kann jede Menge Scheiße bauen, aber er ist dabei. Ich war gut genug fürs Plakatemalen. Da such ich mir doch Leute, die wirklich was machen. Die die richtige Revolution wollen, nicht sowas Halbgares wie die Sozialisten."

„Ach, erzähl mal," meinte Stelios ganz neugierig, „was haben die denn schon so alles gemacht?"

„Ja, also, wir haben schon eine Menge Einzelteile für die Bombe zusammen, und für meinen Bericht bekommen wir einen Bauplan und Geld, um den Rest zu besorgen."

„Georgios, zurück zum Thema. Als Chef von Nikos' Gruppe geht es mir darum, dass meine Leute sicher sind. Du gefährdest uns alle. Du sagst, ist alles nicht so schlimm. Ich frage Dich jetzt, hast Du die Folgen wirklich bedacht? Dass jeder von uns erpressbar wird und ins Gefängnis wandern kann? Dass unsere Zukunft versaut ist?"

Georgios musste sichtlich kämpfen. Nikos sprang ihm bei:

„Ich kann mir nicht vorstellen, dass Du die Folgen wirklich bedacht hast, oder? Georgios, wir haben alle schon mal etwas falsch eingeschätzt. Vielleicht hast Du ja auch gedacht, in Ostberlin kann das keinen Schaden anrichten."

„Ganz so naiv bin ich nun auch nicht, Nikos. Aber es stimmt schon, dass ich nicht so weit gedacht habe, zum Beispiel, was Deutschland angeht, also die Gefahr für Tom. Auch das mit der Erpressbarkeit habe ich nicht wirklich erkannt. Umso mehr Grund für Tom, den Verräter zu töten."

„Ich kann's nicht mehr hören," fuhr Tom genervt dazwischen. „Dieses selbstmitleidige „tötet mich doch". Vielleicht fängst Du allmählich an nachzudenken, wie Du Deinen Freunden helfen kannst, aus dieser Scheiße wieder rauszukommen. Merkst Du eigentlich nicht, dass hier Deine Freunde sitzen und Dich um Deine Hilfe anbetteln? Du sitzt auf Deinem Selbstmitleid und faselst was von Weltrevolution, und dass Ihr nach einem Jahr schon so weit seid, dass Ihr demnächst mal vielleicht einen Bauplan für eine Bombe bekommt."

Die richtigen Leute Band 4: Das Ende der AngstWo Geschichten leben. Entdecke jetzt