34 Eine Verabredung im Souk

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Die letzten drei Schultage vor den Osterferien musste Toms Schule ohne ihn auskommen. Mit einem geliehenen VW fuhr er nach Frankfurt, um Nikos abzuholen, der auch die letzten regulären Schultage vor dem Abitur schwänzte. Er fand einen bezahlbaren Parkplatz, der allerdings eine halbe Stunde Fußmarsch zum Flughafengebäude bedeutete.

Nikos trat strahlend aus dem Zollausgang, Tom rannte ihm entgegen.

„Gangster, was erzählst Du mir für Lügen über Dein Land? Die Sonne lacht, und es ist fast so warm wie in Athen."

„Ich hab Bescheid gesagt, dass Du kommst..."

„Wollen wir in die Cafeteria gehen? Nicky sagt, sie kommt auch gleich dahin. Ich muss unbedingt Eure exotische Küche ausprobieren. In meinem Deutschbuch stand etwas von „Schnitzel", das soll gut sein. Obwohl ich mir nicht vorstellen kann, dass man Fleisch zum Braten in Brotkrümel einpackt."

Sie bestellten Schnitzel und Pommes mit Mischgemüse, und Nikos war beeindruckt.

„Schmeckt gut, was die Barbaren im Norden kochen, ich staune."

Dann kam Nicky, und sie übertrumpften sich eine Stunde lang darin, die neusten Nachrichten sowie Klatsch und Tratsch auszutauschen. Dann musste sie wieder arbeiten. Zum Abschied verkündete sie:

„Wir sehen uns nächste Woche. Ich habe frei bekommen, ich komme mit nach Ägypten."

Als sie am späten Nachmittag in Hohenberg ankamen, war Nikos ziemlich geschafft:

„Irgendwie ist das alles anders, als ich es mir vorgestellt habe. Die Autobahn hatte ich im Fernsehen gesehen, aber das ist wirklich genial. Dein Käfer ist 120 gefahren! Aber wo sind die ganzen Fabriken? Überall Wald, Wiesen, Felder."

„Wenn Du willst, fahren wir morgen mal nach Dortmund. Da gibt's auch Fabriken, wenn Du da so scharf drauf bist."

„Oh ja, lass uns dahin fahren, wenn's nicht zu weit ist."

Toms Mutter verdrehte die Augen, als sie Nikos sah:

„Noch einer in so einer schrecklichen Lederjacke."

Dann besann sie sich auf die Regeln der Gastfreundschaft und begrüßte ihn herzlich. Es war ungewöhnlich warum für Mitte März, und so gingen sie aus dem Ort heraus an den Waldrand. Auf einer Bank unter einer mächtigen Buche rauchten sie. Die Norweger standen am Zaun und sahen ihnen aufmerksam zu.

„Wie hast Du von Derry erfahren?"

„Ich hab's erst am Montag in der Schule gehört und mir eine Zeitung gekauft. Am Abend bin ich nach Piräus gefahren, zu Sophia. Peter, George, Stelios, Anna und Phil waren auch da. Anna hatte Angst, Dave würde umgehend zur IRA gehen. Wir haben ihn von der Telefonzentrale aus angerufen."

„Was sagt er?"

„Er bleibt bei seinem Plan, aber er hat Wut im Bauch."

„Habt Ihr was von Barry gehört?"

„Ja, Michalis hat mit ihm gesprochen, aber erst vor ein paar Tagen. Barry war eine Zeitlang nicht zu erreichen. Die IRA wird schon bald zuschlagen, überall, auch in England."

„Das war doch klar. Ich schätze auch, dass sie jetzt mehr Geld bekommen, und Waffen, und Sprengstoff, und Leute auch. Ich denke, wenn wir jetzt noch mal über eine Zusammenarbeit mit der IRA abstimmen würden, wären alle dafür. Ich habe meine Meinung jedenfalls geändert."

„Ich auch. Die Engländer haben ihr wahres Gesicht gezeigt. Gerechte Verhältnisse wird es erst geben, wenn die IRA so stark ist, dass sie den Briten wirklich gefährlich werden kann. Es hat keinen Sinn, um Verhandlungen zu betteln, sie müssen sie erzwingen."

Die richtigen Leute Band 4: Das Ende der AngstWo Geschichten leben. Entdecke jetzt