Im Hotel am Strefi herrschte gähnende Leere. Alle waren zum Essen ausgeflogen, einige im Familienkreis, die anderen in einer Taverne in der Plaka. Später würden sie sich auf der Dachterrasse treffen, hatten sie vereinbart. Von der Rezeption aus rief Nikos Basilis an.
Tom und Nikos hingen schweigend in ihren Sesseln, als es an der Hoftür klopfte. Nikos führte Basilis wortlos ins Zimmer.
„Was ist Euch denn über die Leber gelaufen? Welchem Gespenst seid Ihr denn begegnet?"
Bei dem Wort „Gespenst" kamen Tom wieder die Tränen, er kämpfte dagegen an, aber es war vergeblich. Sie hatten ein Gespenst in ihren Reihen. Georgios war ein Gespenst.
„Verdammt, Basilis, ich weiß gar nicht, wie ich es sagen soll." Jetzt kämpfte auch Nikos mit den Tränen.
„Mein Gott, was ist denn passiert? Meine beiden besten Leute sitzen da und heulen? Kann mich mal jemand aufklären?"
Tom berichtete, was Sophia ihnen eröffnet hatte. Basilis musste sich anstrengen, ihn zu verstehen, so leise und gepresst kamen die Worte aus seinem Mund. Als er endete, war auch Basilis geschockt.
„Ich sitze morgen Abend am Tisch meiner neuen Familie, und rate, wer noch zum Essen kommt? Basilis, was soll ich tun?"
„Der allerwichtigste Punkt ist, dass er auf keinen Fall Informationen über uns verrät. Wenn sein Bericht so ausführlich ist, dann sind Dimi und Andreas in höchster Gefahr, und alle anderen auch. Wir müssen das verhindern, unbedingt. Ich denke,es ist richtig, wenn Ihr es im Familienkreis versucht. Nikos, was meinst Du?"
„Das ist erst mal eine Familienangelegenheit. Ich würde ihn fragen, warum er seine Schwester, seinen Schwager und alle seine Freunde verraten will. Und wenn ich noch jemals ein Wort mit ihm wechseln soll, dann müsste er auf der Stelle wieder vernünftig werden. Nach allem, was Sophia gesagt hat, bin ich nicht sicher, ob das klappt."
„So sehe ich das auch. Tom, was sagst Du?"
„Scheiße sage ich. Aber wir müssen versuchen, ihn zur Vernunft zu bringen. Mit „wir" meine ich die Familie."
„Und wie soll die Gruppe reagieren? Nikos?"
„Da fällt mir spontan nur die libysche Lösung ein. Tut mir leid, ich bin völlig ratlos. Eins ist klar: wir müssen das Loch stopfen. Fragt sich nur, wie."
Tom versuchte sich als Martin und analysierte:
„Es gibt zwei Möglichkeiten. Entweder, wie können uns darauf verlassen, dass er keine Geheimnisse verrät, oder er bekommt keine Informationen mehr."
Nikos grübelte immer noch über Georgios' Motiv:
„Ich verstehe nicht, warum er das tut. Wirklich freiwillig? Kann ich mir nicht vorstellen. Okay, Sophia sagt, er ist frustriert, fühlt sich übergangen, aber deswegen gleich die ganze Gruppe gefährden? Aus Überzeugung? Georgios als Kommunist? Kann ich mir erst recht nicht vorstellen. Für Geld? Seine Familie ist doch nicht arm. Könnte es sein, dass er gezwungen wird? Mit was könnte man ihn erpressen? Und wenn das so wäre, könnte er dann überhaupt aufhören?
Solange wir nicht wissen, was genau dahinter steckt, wüsste ich nicht, wie wir ihn aufhalten könnten. Mein Gefühl sagt mir, das wird nicht funktionieren. Ich hoffe, ich täusche mich, denn die Alternative heißt, keiner von uns darf mehr Kontakt zu ihm haben. Sein Cousin nicht, sein Schwager Tom nicht, eigentlich auch seine Schwester nicht. Und wie sollten wir ihn stoppen, wenn er nicht zur Vernuft kommt? Wir bringen doch keine Leute um. Verdammt, das kann doch alles nicht wahr sein."
„Wir treffen uns morgen um Mitternacht hier wieder. Dann berichte ich Euch, wie der Abend in seiner Familie verlaufen ist. Lasst uns bis dahin Stillschweigen bewahren. Morgen reisen die Eltern ab, besser, sie kriegen nichts davon mit."
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Die richtigen Leute Band 4: Das Ende der Angst
Historical FictionNachdem die Gruppe um Tom und Nikos alle Abenteuer des Sommers 1971 heil überstanden hat, erlebt Dave nach seiner Rückkehr ins Internat in Sandhurst ein Déjà-Vu: Er wird wieder erpresst. Dave findet sich in Situationen wieder, die ungleich gefährlic...