5 Brüderliche Pflichten

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„Wie seht Ihr denn aus?" fragte Sandy zur Begrüßung, und Philipos, der unbedingt Jannis und Sandy begleiten wollte, stellte fest, „Nikos, Ihr stinkt."

„Ja, herzlichen Dank für die netten Worte. Zwei Stunden im Maschinenraum, 50 Grad, keine Luft, noch Fragen?"

Tom führte mit Samir sein Pferd zum Ausgang. Dann ging er die Gangway hinunter, und Samir zog Salam am Halfter vorsichtig auf die breite Planke. Der schnaubte zwar, aber als Tom ihn rief, folgte er Samir klaglos.

Tom konnte nicht anders, er schwang sich auf den Schwarzen und ritt den Kai entlang. Salam brauchte Bewegung, und so gönnte er ihm noch zwei größere Runden, doch dann lenkte er ihn zu dem Anhänger.

„Tom, Du hast wirklich ein tolles Pferd," sagte Sandy. „Sag mal, in den Nachrichten heißt es, Gaddafi ist wieder im Amt?"

„Stimmt, Sandy, wir waren Gäste bei seiner Rede in Benghazi."

Jannis eröffnete ihm, dass er erst am Mittwoch wieder den Pferdetransporter bekommen könnte. Salam und Samir müssten so lange in Agios Andreas bleiben. Tom erzählte es sofort seinem libyschen Bruder.

„Das ist schön, dann können wir noch ein paar Tage zusammen sein. Kann man bei Nikos auch ausreiten?"

„Sicher. Salam kann ein paar Tage bei Sandy in der großen Garage stehen, und wir reiten durch die Olivenhaine."

„Du bist also Samir, aus Libyen, ich bin Phil, aus Salamis," stellte sich der jüngste der Untergrundkämpfer vor. „Tom und Nikos nennnen mich ihren kleinen Bruder."

„Hallo Phil, Tom ist auch mein habibi, mein Bruder, also sind wir auch Brüder." Samir umarmte ihn. Sie stiegen hinten bei Jannis ein, Tom vorne, Nikos und Stavros bei Sandy.

„Samir, Bruder, erzähl mir von Deinem Land. Ich war auch schon mal da, es ist so schön in der Wüste."

Samir sah ihn lange an, zu lange, fand Phil.

„Du weißt nicht, warum ich geflüchtet bin, oder?"

„Na, ich denke, irgendwie politisch, das ist es doch immer."

Samir überlegte einen Augenblick. Phil war sein Bruder, er war ungefähr in seinem Alter, er mochte ihn auf Anhieb. Er entschloss sich. Er legte seinen Arm um ihn und erzählte ihm leise, mit monotoner Stimme von seinem letzten Jahr. Phil fuhr der Schreck mehr als einmal in die Glieder, Tränen der Wut liefen über seine Wangen.

„In der Hölle soll er schmoren, der Widerling," rief er, es war zu viel. Tom war so tief in Gedanken versunken, dass er nicht mitbekommen hatte, was Samir Phil erzählte. Er drehte sich um.

„Ihr redet von Mahmoud? Sind ein paar Jahrzehnte in einem libyschen Gefängnis Hölle genug? Was meinst Du, Samir?"

„Tom, er tut mir leid. Natürlich, er ist ein ganz böser Mensch, aber seine Hölle wird so viel länger dauern als meine, und sie wird schlimmer sein. Du kennst seinen knackigen Hintern. Im Knast gibt es auch nur Männer, weißt Du?"

Jannis traute seinen Ohren nicht. Was redete dieser Junge da? Tom bemerkte seine Verwirrung und erklärte ihm Samirs Geschichte in drei Sätzen auf Deutsch.

„Stimmt, Mahmoud hat einen knackigen Hintern, ist mir damals schon aufgefallen," musste Phil unbedingt anmerken.

„Wieso fallen Dir knackige Hintern auf, Bruder? Bei Tom und Nikos war das ja klar, aber Du?"

Toms eisiger Blick traf Phil. Der trat gerade noch rechtzeitig auf die Bremse:

„Ich mein ja nur, sieht ganz gut aus, dieser Mahmoud."

Die richtigen Leute Band 4: Das Ende der AngstWo Geschichten leben. Entdecke jetzt