35 Mahmouds Rache

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Ganz langsam hob der Araber mit der linken Hand seine Jacke an, umfasste mit der rechten das Messer, das darunter versteckt war, holte mit dem Unterarm aus und stieß es Tom in die Brust. Vor Schreck und durch den Stoß taumelte Tom einen Schritt zurück und schrie „Nikos, Nikos". Gemächlich zog der Mann das Messer aus seiner Brust. Tom wunderte sich: er hatte keine Schmerzen. Der Mann packte mit der Linken seinen Kragen, drehte sich seitlich um ihn herum, holte erneut aus und stach ihn in den Rücken. Diesmal merkte er einen kleinen Pieks, mehr nicht.

Endlich gehorchten ihm seine Hände wieder. Er griff in die Haare des Mannes und zog mit aller Kraft seinen Kopf nach unten. Er spürte einen Blitz in seinen Oberschenkel fahren, als er das Knie gegen den Kopf seines Gegners donnerte. Er sah, wie Nikos nach dem Mann griff und hörte ihn vor Schmerzen aufheulen. Sein Knie traf den Kopf des Mannes ein zweites Mal, und dann flog Phil buchstäblich von rechts auf den Angreifer zu und begrub ihn unter sich. Tom sah die Welle kommen und ließ sie zu. Er trat den Mann gegen den Kopf, als Nikos schrie:

„Tom, sofort aufhören!"

Er gehorchte und setzte sich auf den Boden. Vorsichtig sah er sich nach allen Seiten um. Der Angreifer schien allein gehandelt zu haben. Phil hatte den Mann im Polizeigriff. Der versuchte sich nur ein einziges Mal zu befreien und schrie laut auf, als Phil seinen Arm überdrehte. Martin drückte ein Taschentuch auf eine heftig blutende Wunde an Nikos' Hand, während der Soldat, der sie begleitete, wenige Meter entfernt in einer der Werkstätten hektisch telefonierte.

Georg kümmerte sich um Tom.

„Ganz ruhig, Tom. Wo hat er Dich erwischt?"

„Brust, Rücken, linker Oberschenkel."

Georg zog ihm die Jacke aus. Das Messer war auf Höhe des Herzens in das Leder eingedrungen und war offenbar in seinem Portemonnaie steckengeblieben.

„Im Rücken ist ein Stich, der blutet heftig, warte mal."

Er nahm ein Taschentuch, wedelte damit vor der Nase eines der zahlreichen Gaffer herum und bedeutete ihm, es auf Toms Wunde zu drücken. Der Mann half bereitwillig, während die anderen aufgeregt auf Toms Bein zeigten. Georg erschrak, als er die Blutlache sah.

„Zieh die Hose aus, warte, ich helfe Dir."

Er zog Toms Jeans bis zu den Knien hinunter. In diesem Augenblick spürte Tom zum ersten Mal einen richtigen Schmerz, so als steche jemand eine glühende Nadel in sein Bein. Er zog die Luft durch die Zähne.

„Scheiße, das tut weh."

Georg zog sich blitzschnell Jacke, Hemd und Unterhemd aus, drückte letzteres einem weiteren Zuschauer in die Hand und zeigte auf Toms Wunde am Oberschenkel. Dann zog er sich wieder an. Der Soldat kam vom Telefon zurück:

„Help five minutes, okay?"

„Tom, was ist mit Dir?" rief Nikos, der seinen Freund nicht sehen konnte: er war umringt von Beinen.

„Alles okay, blutet ein bisschen. Mahmouds Rache."

„Scheiße, sind wir blöd!"

Vier Soldaten bahnten sich einen Weg durch die mittlerweile riesige Zuschauermenge, die den ohnehin engen Gang verstopfte. Ihr Anführer führte ein heftiges Streitgespräch mit dem Fahrer, während die Soldaten den Attentäter fesselten. Der Leutnant bellte einen Befehl, woraufhin der Gefangene abgeführt wurde. Dann schnauzte er die Zuschauer an, die murrend ein paar Meter zurückgingen, und wandte sich an die Verletzten:

„Wie schlimm ist es?"

„Der hier ist Tom, er muss ins Krankenhaus," antwortete Georg.

„Nikos auch, der muss genäht werden," sagte Martin.

Die richtigen Leute Band 4: Das Ende der AngstWo Geschichten leben. Entdecke jetzt