Kapitel 1

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Elli

Seine Lippen drückten mir einen feuchten Kuss auf den Hals. Dann noch einen in meine Halskuhle. Sein warmer Atem streifte meine Haut und ließ mich erschaudern.

Er, der Typ dessen Namen ich vergessen hatte, war allem Anschein nach ein Frauenheld. Jemand, der jedes Wochenende eine andere weibliche Schönheit mit zu sich nach Hause schleppte um sich austoben zu können. Ich befand mich nun in dieser besagten Wohnung, auf seinem Bett, und küsste ihn.

Mit einer flinken Bewegung streifte er sich sein Shirt über den Kopf und warf es auf den Boden. Meine Augen huschten über seinen Körper. Er war gut gebaut, vielleicht trainierte er. Seine hellblauen Augen stachen aus der Dunkelheit hervor und beäugten mich voller Leidenschaft. Ich hatte ihn gebeten, das Licht nicht anzumachen, und er schien kein Problem damit zu haben.

Sein Mund traf auf meine Lippen und er küsste mich erneut. Als ich ihn vor gut einer Stunde im Molly's angesprochen hatte, hätte ich nie gedacht, dass seine Lippen so weich sein würden. So weich und ... fordernd. Er küsste gut, und wusste was er tat. Seine Hände glitten währenddessen von meinen Schultern abwärts. Warme Finger fuhren unter den Stoff meiner roten Paillettenbluse. Kurz zuckte ich bei der Berührung zusammen, was ihn für den Bruchteil einer Sekunde innehalten ließ. Einen Moment später löste er seine Lippen von den meinen und zog mir die Bluse über den Kopf.

"Deine Haut ist so weich", hauchte er mir ins Ohr. Danach biss er sanft in mein Ohrläppchen. Ich sollte ein Verlangen spüren, sollte vielleicht erregt sein, doch ich war es nicht. Stattdessen krallte ich meine Fingernägel schmerzhaft in meinen Unterarm.

Als ich seine Finger an meinem BH-Verschluss spürte, hielt ich ihm meine Hand an seine warme Brust. Ich konnte ein paar gekräuselte Härchen auf seinem Brustkorb fühlen. Sein Herz schlug regelmäßig und pochte gegen meine Handfläche.

"Warte kurz." Mein eigenes Herz hämmerte wild. Womöglich war das alles hier eine blöde Idee meinerseits gewesen.

Der Typ, dessen Namen mir einfach nicht mehr einfallen wollte, wartete tatsächlich geduldig. Er schaute mir in die Augen. Sekunden verstrichen. Vielleicht auch Minuten.

"Kann ich kurz dein Badezimmer benutzen?"

"Klar." Ich sah, wie er fragend eine Augenbraue hob. "Gleich neben der Küche links."

"Danke." Eilig rutschte ich mit meinem Hinterteil aus dem Bett und atmete erleichtert aus, als ich im Badezimmer stand. Mit zitternden Händen schloss ich ab und schaute mich um. Das Badezimmer war modern eingerichtet und besaß sowohl eine Badewanne als auch eine Duschkabine.

Mit großen Augen starrte ich meinem Spiegelbild entgegen. Was hatte ich mir nur dabei gedacht? Ich fuhr mir aufgebracht durch meine geglätteten kastanienbraunen Haare. Das war nicht ich. Dieser Mensch, der mich im Spiegel anstarrte, war definitiv nicht ich.

Am liebsten hätte ich mir auf der Stelle die Kontaktlinsen aus meinen dunkelbraunen Augen gerissen, doch ich hatte meine Brille nicht bei mir. Und ohne eines dieser Dinge sah ich leider nicht allzu viel. Der glitzernde Lidschatten, der dunkle Lippenstift und überhaupt das ganze Make-Up ließen mich im Moment eher an einen Clown erinnern als an eine sexy Studentin, die einen Typen aufreißen wollte.

Wie schaffte ich es möglichst unauffällig, und ohne in Scham aufzugehen, aus dieser Wohnung hinaus? Ich wollte eine Konversation mit diesem jungen Mann umgehen. Es konnte gut sein, dass er sauer war, weil ich ihm doch nicht geben wollte, was er sich erhofft hatte.

Ich war ziemlich wütend auf mich selbst, denn mir hätte im Vorhinein klar sein sollen, dass ich es nicht durchziehen konnte. Ich war einfach noch nicht bereit dazu. Gut möglich, dass ich es niemals sein würde.

Visible Miracle | ✔Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt