Kapitel 19

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Elli

Als ich die Augen aufschlug wusste ich sofort, dass ich nicht in meinem Bett im Studentenwohnheim lag. Außerdem lag ich sehr unbequem. Nicht nur mein Rücken schmerzte deswegen, sondern auch mein Schädel fing an zu pochen. Ich hatte es mit dem Alkohol wirklich übertrieben! Doch ich war nicht betrunken genug, um mich nicht an jedes Detail erinnern zu können, was ich getan hatte.

Ich setzte mich auf Mäx Sofa auf und griff mir an den Kopf. Dabei verzog ich mein Gesicht ein wenig und wünschte mir ein Aspirin herbei. Mit etwas Glück befand sich sogar eine Tablette in meiner Handtasche. Gerade als ich nach meiner Tasche greifen wollte, sah ich mein Armband auf dem Tisch liegen.

Mein Herz klopfte doppelt so schnell. Hatte ich es abgelegt? Nein. Das würde ich im Beisein anderer niemals tun. Oder? War ich so betrunken gewesen, dass ich mich nun nicht mehr daran erinnern konnte?

Hastig schaute ich mich um, doch von Max war keine Spur. Die Lampen waren aus, nur der Fernseher lief. Die Meerestiere waren nicht mehr zu sehen, dafür lief jetzt irgendeine Doku, wo verschiedene Landschaften gefilmt wurden. Draußen war es noch dunkel, weshalb ich auch nicht sagen konnte, wie lange ich geschlafen hatte.

Ich nahm mein Armband an mich und streifte es über. Dann schlich ich auf Zehenspitzen ins Badezimmer, weil ich wirklich dringend auf die Toilette musste. Danach würde ich diese Wohnung verlassen.

Gerade als ich die Haustür öffnen wollte, kam Mäx verschlafen aus seinem Schlafzimmer.

"Elli, es ist irgendwas zwischen zwei und drei in der Früh. Willst du nicht bleiben, bis die Sonne aufgeht?" Er schaltete das Wohnzimmerlicht an, wodurch ich kurz die Augen zusammenkniff.

"Ich möchte jetzt gehen", sagte ich bestimmt. Dieses Mal würde er mich nicht davon abhalten können.

Meine Finger spielten sich mit dem Armband, dem Mäx kurz einen Blick zuwarf. Doch sein Blick ließ absolut nicht daraus schließen, ob er etwas von der Narbe wusste, oder nicht. Diese Unwissenheit machte mich ganz verrückt, so wie die Situation, in die ich mich gebracht hatte.

"Okay, aber ich fahre dich." Mäx kam bei mir an, und griff nach seiner Jacke. Er gähnte dabei einmal herzhaft.

"Nein, das brauchst du nicht, und das will ich nicht. Ich finde den Weg allein zurück."

Max hob eine Augenbraue. "Ich weiß, dass du den Weg alleine findest. Aber es ist dunkel, kalt, beinahe niemand geht um diese Uhrzeit draußen herum, und du bist nicht ganz nüchtern. Also lasse ich dich bestimmt nicht alleine zum Studentenwohnheim gehen."

Nun sah ich ihm verdutzt entgegen. Das waren gute Argumente, aber wer war er, um das bestimmen zu können? Mein verantwortungsvoller Vater, den ich nie hatte? Mein sorgvoller Freund-Freund, der er aufgrund seines Lebensstils niemals sein wollte? Mein beschützerischer Bruder, den ich mir jahrelang gewünscht hatte?

Langsam schüttelte ich den Kopf. "Ich nehme mir ein Taxi, in Ordnung?"

Mäx atmete tief aus, doch dann nickte er. "Okay, aber ich rufe dir eines her." Bevor ich abermals protestieren konnte, holte er sein Handy hervor und wählte eine Nummer, die er wohl schon unter seinen Kontakten gespeichert hatte.

"In fünf Minuten steht ein Taxi vor der Tür. Hast du genug Geld eingesteckt, oder soll ich dir welches geben?"

"Mäx, es ist genug. Du bist weder mein Vater, noch mein Bruder, oder mein fester Freund. Du bist niemand, der dazu verpflichtet ist, mir Geld zu geben, wenn ich zu wenig mit hätte."

Ich sah, wie sich Mäx Augen verengten. Anscheinend passte ihm nicht, was ich sagte. "Ich mache mir trotzdem Sorgen, Elli! Ich lasse dich doch nicht zu dieser Uhrzeit durch eine Großstadt spazieren! Wenn dir etwas zustoßen würde, könnte ich niemals damit umgehen! Also hast du genug Geld für das Taxi eingesteckt?"

Visible Miracle | ✔Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt