Kapitel 6

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Mäx

Ich saß neben Leni und Jonathan und hörte mir heute zum dritten Mal an, wie sie sich kennengelernt hatten. Dass sie damals in der Volksschule in die selbe Klasse gegangen waren, spielte dabei auch eine Rolle, denn deswegen hatte Jonathan Leni vor drei Jahren auf einem Festival auch angesprochen. Ab da war dann alles langsam in Gang gesetzt worden.

Es war schon eine Stunde her, dass ich mit Elli geschrieben hatte. Meine letzte Nachricht hatte sie nicht mehr gelesen, und vermutlich würde sie das heute auch nicht mehr.

Ich: Vielleicht kommst du nächsten Samstag mit, dann wird der Abend auch wieder spannender.

Im Nachhinein war mir die Nachricht sogar etwas unangenehm, aber zurückrufen wollte ich sie auch nicht mehr, denn dann würde Elli ja ohnehin sehen, dass ich etwas geschrieben, es aber wieder gelöscht hatte.

Wieso wollte ich denn unbedingt, dass sie mit uns feiern ging? So wie ich Elli nun kennengelernt hatte, war das absolut nicht ihr Ding. Obwohl sie bei unserem ersten Treffen ganz anders gewesen war. Doch da war sie auch auf einer Mission gewesen, die sie nicht vollzogen hatte. Ich fragte mich nur, wieso sie unbedingt mit mir nach Hause hatte wollen, aber dann nicht schnell genug von mir fortkommen hatte können.

Leni stupste mich an und musste sich anscheinend ein Lachen unterdrücken. "Wo bist du denn heute mit deinen Gedanken?"

"Hm, wieso?"

"Anton hat dich schon zweimal gefragt, ob du noch was trinken willst?"

Ich schaute zu Anton, welcher mich ebenfalls belustigt musterte. Vielleicht war das wohl eher mein Stichwort heute allein nach Hause zu gehen. Und zwar am besten sofort. Auf Frauensuche war ich heute sowieso noch nicht gegangen.

"Ich will nichts mehr, danke."

"Okay. Ich schon noch." Leni schien mich heute überaus amüsant zu finden. Dann wandte sie sich an Anton: "Nimmst du mir einen Mojito mit?"

Möglich, dass es an Elli lag, wieso ich heute mit meinen Gedanken ständig abschweifte. Aber ich wollte mir bestimmt nicht eingestehen, dass ich an eine Frau dachte, weshalb es mit Sicherheit an meinem Tag heute lag, den ich bei meinen Eltern verbracht hatte.

Ich wusste, dass es an meinen Eltern liegen musste, wieso ich keine feste Beziehung eingehen wollte. Sie waren das beste Beispiel dafür, dass derjenige in der Ehe, der am wenigsten liebte, dem anderen ziemlich wehtun konnte. Ich hatte mit eigenen Augen miterleben müssen, wie meine Mutter wochenlang geheult hatte, sich meine Eltern gestritten und bis aufs äußerste beschimpft hatten. Für ein Kind, wie ich es damals noch gewesen war, war das absolut grauenhaft.

Damals hatte mein Vater meine Mum mit einer jüngeren Frau betrogen. Meine Mum hatte sie nie gesehen oder kennengelernt, aber sie war am Boden zerstört. Meinetwegen hatten sie ihrer Beziehung noch eine Chance geben wollen. Mein Vater hatte eingesehen, dass er Mist gebaut hatte und es schien ihm bis heute aufrichtig leid zu tun. Aber was hielt ihn davon ab es nicht wieder zu tun? Manchmal war er noch Stunden nach Dienstschluss im Büro, weil, laut ihm, jede Menge Arbeit auf ihn wartete. Ich fragte mich jedes Mal, wie meine Mum ihm noch genug Vertrauen entgegenbringen konnte. Ja nicht einmal ich schaffte es. Manche Menschen waren vielleicht einfach nicht für die Monogamie geschaffen, egal wie sehr sie es auch versuchten.

Und dann war da auch noch dieser Streit mit meiner Oma gewesen. Das war kurz nachdem meine Eltern beschlossen hatten, sich noch eine Chance zu geben. Wir hatten gemeinsam ein Kartenspiel gespielt und meine Oma und mein Vater waren anderer Ansicht gewesen, wie das Spiel zu laufen hatte. Nun ja, ich brauchte nicht zu sagen, dass das alles etwas ausgeartet war.

Visible Miracle | ✔Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt