Kapitel 21

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Elli

"Natürlich kommen wir!" Lisa fiel Mäx beinahe um den Hals, weil sie sich so sehr über die Einladung der Party freute. Wir standen vor verschlossenen Türen unseres Lehrsaals, und Mäx hatte meine Freundin soeben gefragt, ob wir denn zu seiner Feier in gut zwei Wochen kommen wollten. "Darf meine Freundin auch mitkommen? Ihr Name ist Johanna."

"Klar. Es freut mich, dass du vergeben bist", antwortete Mäx, was Lisa lächeln ließ.

Endlich kam auch Professorin Leeb an, die auf ihren hohen, dünnen Stiefelabsätzen erstaunlich schnell unterwegs war.

"Tut mir leid für die Verspätung!", entschuldigte sie sich sofort hektisch, nachdem sie die Tür aufgeschlossen hatte und wir alle eintreten konnten. Heute schien sie ohnehin etwas neben der Spur zu sein. Professorin Leeb verwechselte uns anfangs sogar mit einer anderen Vorlesung, bis sie sich nach fünf Minuten abermals entschuldigte, und die richtigen Bücher zur Hand nahm.

"Die ist aber heute verwirrt", flüsterte mir Lisa irgendwann ins Ohr. Auch ihr war das seltsame Verhalten unserer Professorin aufgefallen.

"Vermutlich hat sie heute einen schlechten Tag." Und mit miesen Tagen kannte ich mich aus. Solche gab es in meiner Vergangenheit zur Genüge.

"Mein Leben macht keinen Sinn." Ich saß vor meinem Müsli, welches mir meine Oma vor die Nase gestellt hatte, und starrte es an. Ich hatte keinen Hunger, ich wollte nichts essen. Wollte gar nichts tun.

Eine Woche war vergangen, seitdem ich versucht hatte, meinem Leben ein Ende zu setzen. Meine Oma hatte mich im Krankenhaus beinahe keine Sekunde aus den Augen gelassen, und nun saß ich wieder Zuhause im Haus meiner Oma. Hier würde ich nun bleiben. Für immer, so behauptete es meine Oma jedenfalls. Sie wollte anscheinend nicht mehr, dass ich ging.

Ich wusste, dass meine Mutter oft versuchte sie telefonisch zu erreichen, aber meine Oma drücke ihren Anruf jedes Mal weg. Sie war enttäuscht von ihrer eigenen Tochter, das konnte ich ihr ansehen.

"Liebling, sag so etwas nicht. Dein Leben macht einen Sinn. Wenn es dich nicht gäbe, wäre mein Leben sehr leer."

"Aber außer dir braucht mich doch keiner." Tränen stiegen in meine Augen, und meine Oma umarmte mich. Ihre Umarmung war die einzige Berührung, die ich aushielt. Aushielt- weil ich sie keineswegs als schön empfand.

Dieser Tag, war auch jener Tag, an dem meine Oma mit mir ins Tierheim fuhr.

"Wir retten jetzt einem dieser Tiere das Leben, und dann sorgst du dich täglich darum. Du wirst sehen, das Tier wird abhängig von dir werden. Außerdem wollte ich das schon immer mal tun", meinte meine Oma lächelnd, als wir vor den Türen des Tierheims standen.

Keine zwei Stunden später nahmen wir auch schon Luna mit nach Hause. Sie war eine braun getigerte Katze, die schon ziemlich alt war. Sie musste Medikamente einnehmen, da sie Nierenkrank war. Aber meine Oma und ich wollten genau sie haben. Weil sie sonst vermutlich niemals aus dem Tierheim gekommen wäre. Wir wollten ihr eine Chance auf ein besseres Leben und ein paar letzte schöne Jahre geben.

Visible Miracle | ✔Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt