Kapitel 28

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Mäx

Elli hatte mir heute einiges anvertraut, was in jeder Hinsicht schrecklich war. Und dann hatte sie mir auch noch verraten, dass unsere Küsse im Molly's ihre ersten waren.

Ich war ein egoistischer Idiot, weil ich sie heute geküsst hatte. Das war mir in dem Moment in den Sinn gekommen, als sich unsere Lippen berührt hatten. Doch spätestens als Elli sich an mich geschmiegt hatte, wusste ich, dass es auch für sie okay war.

Wir standen noch immer neben der Couch und waren in unserer Umarmung verschlungen. Keine Ahnung wie lange wir schon so dastanden, der Abspann des Filmes war auf jeden Fall schon lange vorbei.

"Möchtest du noch ein Tortenstück?", fragte ich sie irgendwann flüsternd.

"Zu Benjamin Blümchen kann ich nicht nein sagen."

Wir lösten uns voneinander und betrachteten uns grinsend. Keiner von uns machte Anstalten sich gleich in die Küche zu begeben. Wir standen uns einfach gegenüber.

"Ich bin froh, dich heute gefragt zu haben, ob du zu mir kommst", gab ich nach einer Weile zu.

"Ich auch", hauchte Elli und biss sich verlegen auf die Unterlippe. Wenn sie das tat, knotete sich etwas in meinem Innern zusammen. Ich musste auf andere Gedanken kommen. Sofort. Ansonsten konnte ich für nichts mehr garantieren.

"Willst du ein großes Stück?", fragte ich sie, während ich in die Küche ging um die kleine Torte aus dem Kühlschrank zu holen.

"Gerne." Sie folgte mir und beobachtete jeden meiner Handgriffe, als ich die Torte anschnitt.

Elli bedankte sich als ich ihr die Torte hinhielt. "Willst du mich am Sonntag zu meiner Mum und meiner Oma begleiten?", fragte ich sie ohne lange darüber nachgedacht zu haben.

Überrascht schaute sie mich an. "Ich soll deine Eltern kennenlernen?"

Ich schüttelte den Kopf. "Meine Mum und meine Oma. Mein Vater ist nicht so wichtig", tat ich es ab. Er kam ohnehin nie zum Essen, obwohl ich wusste, dass er jedes Mal eingeladen wurde.

"Okay, ich komme gerne mit", sagte sie irgendwann. Ich hatte gar nicht mitbekommen, dass ich die Luft angehalten hatte, doch als ich sie erleichtert ausstieß, grinste ich verlegen. Das war alles absolut neu für mich. Noch nie hatte ich eine Frau gefragt, ob sie zum Sonntagsessen mitkommen wollte.

Einige Zeit später lag ich in meinem Bett und starrte die Zimmerdecke an. Elli war vor gut einer Stunde gegangen. Wir hatten uns zum Abschied noch einmal lange umarmt. Am liebsten hätte ich sie bei mir behalten wollen, doch ich musste es langsamer angehen. Vor nicht allzu langer Zeit war ich von Beziehungen noch abgeneigt gewesen, und auch Elli mochte meine Berührungen noch nicht sehr lange. Ich durfte nichts überstürzen. Doch Elli schien fast so, als genoss sie meine Umarmungen wirklich. Sie sagte es nicht nur so dahin, sondern wollte sich tatsächlich fast nicht mehr von mir lösen. Und wenn ich an den heutigen Kuss zurückdachte, dann schlich sich ein dämliches Grinsen auf mein Gesicht. Wann hatte ich mir wegen eines einfachen Kusses schon jemals so viele Gedanken gemacht?

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Es war Sonntag und ich parkte mein Auto vor dem Studentenwohnheim. Ich wusste, dass ich etwas zu früh dran war, dennoch stieg ich schon einmal aus dem Wagen aus und lehnte mich dagegen.

Nicht allzu weit entfernt sah ich eine Frau mit ihrem Hund spielen. Sie hielt ihm ein Stöckchen vor die Nase und warf es dem Hund einige Meter weit. Er lief freudig darauf zu und schüttelte den Stock in seinem Maul, als wäre es eine wohlverdiente Beute, die er gefangen hatte. Hunde schienen so leicht zu unterhalten zu sein.

Visible Miracle | ✔Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt