Kapitel 4

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Mäx

Zuhause ließ ich mich auf mein Sofa fallen und schloss die Augen. Dass eine Frau hinterfragte, wieso ich ihre Nummer wollte, war mir bis auf heute auch noch nie passiert. Ich fuhr mir mit der Hand seufzend über das Gesicht und streckte mich ganz auf der Couch aus.

Da Anton mit seinem Kommentar Die findest du niemals unsere Wette verloren hatte, hatte er unser Mittagessen bezahlen müssen. Elli und ihre Freundin waren nach dem Essen sehr schnell, mit der Entschuldigung zu einem Seminar zu müssen, verschwunden.

Elli hatte die letzten Wochen sehr viel Platz in meinen Gedanken eingenommen, und nun ärgerte es mich, dass sie es schon wieder tat. Deswegen schaltete ich kurzerhand den Fernseher ein und rief Netflix auf. Ein Actionfilm war jetzt genau das was ich brauchte.

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"Herr Kuhn, wie schön Sie heute dabei zu haben!" Eine Frau mittleren Alters kam lächelnd auf mich zu. Ihr Name war Angelika Müller und sie war heute meine Chefin. Es war Mittwochabend und ich sollte bei der Cateringfirma als Kellner aushelfen. Dafür hatte ich heute meinen Smoking ausgegraben, denn es handelte sich um eine Weihnachtsfeier einer Großfirma. Ich fragte mich nur, wer denn bitte eine Feier an einem Mittwoch veranstaltete, aber mir sollte es recht sein. Vielleicht wollten die CEOs dieser Firma nicht, dass sich die Mitarbeiter zu sehr betranken, um am nächsten Tag wieder voll leistungsfähig zu sein.

"Frau Müller, guten Tag", begrüßte ich sie. Ich wusste, dass sie sich freute mich heute dabei zu haben, denn im Gegensatz zu den meisten Studenten hier, die diesen Job auch nur nebenbei machten, konnte ich ziemlich gut kellnern. Schon als ich noch zur Schule ging, hatte ich oft über die Sommerferien in einem Gasthaus ausgeholfen, und mir somit ein bisschen Kleingeld verdient.

"Ich will nicht lügen, aber heute wird es sehr stressig. Doch so wie ich Sie kenne, meistern Sie das mit links. Kommen Sie bitte einmal mit mir mit", bat sie mich und ich folgte ihr in das Zimmer, welches heute unser Aufenthaltsraum sein würde. Vorhin hatte ich meinen Rucksack hier abgestellt.

Ein Mädchen, ich konnte sie beim besten Willen noch nicht Frau nennen, stand etwas unbeholfen in dem Raum herum, bis wir uns ihr näherten.

"Herr Kuhn, das ist Frau Lissing. Sie ist heute zum ersten Mal dabei, und da Sie schon so viel Erfahrung in diesem Beruf mitbringen, wäre ich Ihnen zu großem Dank verpflichtet, wenn Sie heute ab und an mal ein Auge auf Frau Lissing haben könnten."

"Ja, klar." Als unsere Chefin wieder verschwunden war, um noch ein paar Kleinigkeiten zu regeln, stellte ich mich bei dem Mädchen mit dem pechschwarzen Haar vor. Sie hatte auch blaue Augen, wie ich. Vom Äußeren her könnten wir tatsächlich als Verwandte durchgehen.

"Mein Name ist Max. Also wir können wirklich per du sein, das sind wir hier übrigens alle. Aber halt nur untereinander."

Ein Lächeln stahl sich auf ihre Lippen. "Ich bin Luisa."

Während ich ihr im Schnelldurchlauf zeigte, wo sich alles befand, quatschen wir ein bisschen weiter. So fand ich heraus, dass es ihr erstes Semester an der Uni war und sie Kunstgeschichte studierte. Sie hatte schon einen genauen Plan, was sie mit dem Studium anfangen wollte, sobald sie fertig war und darum beneidete ich sie. Ich studierte deswegen Psychologie, weil es Julian auch tat. Kein sonderlich gutes Argument für die zukünftigen Pläne, das wusste ich. Doch da ich mir beim Lernen schon immer wahnsinnig leicht getan hatte, waren die Prüfungen für mich kein Problem. Meine Eltern wollten, dass ich einen guten Abschluss in der Tasche hatte, also tat ich dies. Doch was ich wirklich mit meinem Leben anfangen wollte, wusste ich nicht genau. Allerdings konnte es nicht ewig so weitergehen und ich würde mich auch nicht bis an mein Lebensende an Julians Fersen heften können.

Visible Miracle | ✔Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt