Kapitel 34

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Mäx

Es ging echt nicht spurlos an mir vorbei, wie Elli mich betrachtete. Wie sie mich von Kopf bis Fuß musterte, und ich mir eigentlich nur noch wünschte, dass wir uns auf der Stelle in meinem Bett wälzten. Küssend. Nackt.

Ich steuerte eilig die Küche an, denn ich musste auf andere Gedanken kommen. In dem Augenblick, wo ich die Plastiktüte auf die Anrichte legen wollte, riss sie ein Stück auf und einige Cherrytomaten rollten über den Fußboden.

"Scheiße!", fluchte ich los, denn meine Gefühle hielt ich anscheinend nicht mehr im Zaum. Dafür waren die letzten Minuten eindeutig zu intensiv gewesen.

Zuerst war da Ellis herrliches, prickelndes Lachen gewesen. Ein jede Flasche Prosecco wäre da neidvoll zersprungen. Völlig aus dem Nichts heraus, hatte sie losgeprustet und sich nicht mehr halten können. Was auch immer der Auslöser dafür gewesen war, ich liebte es sie lachen zu hören. Miteinzustimmen. Zusammen zu lachen.

Mit ihr war alles anders. Sie war keine Frau, wie all die anderen zuvor. Elli war besonders. Für mich. Sie machte mich unglaublich glücklich, und das hätte ich niemals gedacht. Auf keinen Fall wollte ich so werden wie mein Vater, doch irgendwie dachte ich das auch nicht mehr. Ich war nicht mein Vater. Ich war ein vollkommen anderer Mensch.

Ich wusste, ich musste mich mit meinem Vater aussprechen. Ju hatte es erst vor Kurzem wieder angesprochen, und irgendwie hatte er recht. Schon seit einigen Tagen grübelte ich, wie ich es am besten angehen sollte. Doch vielleicht sollte ich einfach einmal bei meiner Mum und ihm Zuhause aufkreuzen. Das würde schon werden ...

Als ich noch ein Kind war hatte ich zu meinem Vater aufgesehen. Ich hatte ihn verehrt, bis dann dieser eine Tag gekommen war, der alles verändert hatte. Der mein Leben auf den Kopf gestellt hatte, und meine Mum wochenlang zum weinen gebracht hatte. Nicht einmal ich hatte sie in dieser Zeit fröhlich stimmen können. Und das hatte mir Angst eingeflößt.

Doch ich vertraute Elli. Und ich vertraute mir. Uns beiden würde so etwas nicht passieren, denn ich konnte mir unter keinen Umständen vorstellen, dass ich Elli jemals so derart betrügen würde. So war ich nicht. Das schoss mir schon seit mehreren Tagen durch den Kopf.

Zwar hatte ich nie nach einer Beziehung oder einer einzigen Frau in meinem Leben gesucht, doch ich hatte sie gefunden. Nun ja, vielmehr hatte sie mich gefunden. Im Molly's. Wenn ich daran zurückdachte, schlich sich jedes Mal ein breites Lächeln auf mein Gesicht. Denn sie hatte mich schon seit dem ersten Augenblick an dem Haken gehabt. Auch wenn sie damals eine gute schauspielerische Leistung hingelegt hatte.

Ihre rehbraunen Augen jagten jedes Mal einen willkommenen Schauer über meinen Rücken. Jedes Mal, wenn sie mich eindringlich beobachtete, wünschte ich mir nichts sehnlicher, als sie an mich zu ziehen und sie stürmisch zu küssen. Denn ich war absolut abhängig von ihren Lippen.

Dann waren da noch ihre kastanienbraunen Naturlocken, die meinen Verstand wie einen Lockenstab umwickelten. Ich liebte diese Locken! Sie war so verdammt süß, und gleichzeitig so verführerisch sexy damit. Ob sie wusste, was ihr Aussehen mit mir anstellte?

Doch nicht nur ihre Optik ließ meine Hände feucht werden. Dass ich so etwas überhaupt einmal dachte! Noch nie hatte es eine Frau geschafft, dass ich vor Nervosität derart ins Schwitzen kam. Im Bett ja, aber allein durch Gedanken? Das konnte nur Elli schaffen.

Jedes Mal wenn sie mich anschaute, dann hatte ich das Gefühl, als ob sie tiefer blicken konnte. Nicht nur einfach in meine Augen, sondern in meine Seele. Dass sie mich manchmal wortlos verstand, so wie ich es auch bei ihr tat.

Elli holte mich aus meinen Gedanken, indem sie die Tomaten vom Boden aufhob und in die Spüle legte.

"Wir müssen sie einfach nur kurz waschen, dann passt das schon." Ich stand noch immer am selben Fleck, doch Ellis Stimme drang zu mir durch.

Visible Miracle | ✔Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt