Kapitel 26

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Mäx

"Willst du am Abend bei mir vorbeischauen?" Es hatte mich all meinen Mut gekostet, Elli diese Frage zu stellen. Ich hatte die gesamte Vorlesung über an nichts anderes denken können. Nun blickte ich in Ellis Gesicht, und sah, wie sich ihre Mundwinkel langsam nach oben bewegten.

"Du möchtest wahrscheinlich, dass ich dir etwas koche?"

"Nur deswegen, ja", antwortete ich ihr, wobei ich ganz genau wusste, dass Elli meinen Scherz verstand.

"Ich bin um fünf bei dir." Sie hatte es eilig Lisa nachzukommen, weil diese schon auf den Ausgang zusteuerte. Vermutlich hatten sie gleich ein Seminar, wo sie nicht zu spät kommen sollten. Doch ich nickte ihr hinterher, wissend, dass sie es nicht mehr sehen konnte.

"War doch nicht so schwer, hm?" Ju erschreckte mich, als er mir von hinten plötzlich auf die Schulter schlug. Er ging breit grinsend an mir vorbei und ich folgte ihm zu den anderen.

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"Ich bin Elli."

Ich stand an der Bar und wartete auf mein Bier, das vom Barkeeper gerade angezapft wurde. Eigentlich hatte ich mich zu der blonden jungen Frau in der Ecke gesellen wollen, die mich die letzten Minuten über allein durch ihren Blick quasi nackt ausgezogen hatte. Doch als plötzlich diese Elli neben mir stand, drängten sich meine Gedanken um die Blondine in den Hintergrund.

Sie hatte langes, glattes, wunderschönes Haar, das ihr über die Lederjacke fiel. Darunter konnte ich eine rote Paillettenbluse ausmachen, die ein Dekolleté zum Vorschein brachte, bei dessen Anblick ich schwer schlucken musste. Ihre rehbraunen Augen besaßen einen Schimmer, der mich meinen Namen vergessen ließ und ihre Stimme war so sanft, dass ich aus ihrem Mund am liebsten an Ort und Stelle meinen Namen stöhnen hören wollte. Apropos Mund, ich bekam meine Augen nur schwer von ihren vollen Lippen weg. Erst als mir der Typ hinter der Bar das Bier vor die Nase stellte, löste ich meinen Blick von ihr.

"Ich bin Max." Ich schluckte erneut schwer, denn mein Gehirn setzte für eine Millisekunde aus. Normalerweise hatte ich dumme Sprüche wie "Es ist so heiß hier drinnen, oder bist du das?" oder "Kennen wir uns nicht von irgendwo her?" auf Lager. Aber in dieser einen kleinen Winzigkeit des Augenblicks fiel mir nichts ein.

"Bist du alleine hier?" Sie schien nervös zu sein, und auf unerklärliche Weise gefiel mir das.

"Mit Freunden. Die kommen aber im Moment gut ohne mich klar. Willst du etwas trinken?", fragte ich sie.

Sie nickte und ich bestellte ihr einen Cocktail. Allerdings nahm sie keinen Schluck davon und das Getränk war genauso wie mein Bier, zu schade gewesen um es überhaupt bestellt zu haben.

Kaum hatte ihr der Barkeeper nämlich den Cocktail hingestellt, teilte ich ihr meine Gedanken mit: "Deine Lippen sind schön."

Visible Miracle | ✔Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt