Latin Vibes (Fiery Desire)

🌟 Überraschungsbesuch

Diego

Ich stecke ein neues Magazin in meine Waffe, setze die Kopfhörer und die Brille auf und trete dann nach vorn, um auf die Zielscheibe am anderen Ende des Raumes zu zielen. Nacheinander gebe ich zehn Schüsse ab, stelle mir vor, dass Ruben Ramirez dort steht und mich auslacht. Dieses Arschloch hat Riley angeschossen und ich war nicht derjenige, der es ihm heimgezahlt hat. Inzwischen ist klar, dass es Declan war, der den Drogenbaron ins Bein geschossen hat. Und da dieser Wichser jetzt hinter Schloss und Riegel sitzt, bekomme ich auch keine zweite Chance mehr, mich an ihm zu rächen. Ich atme tief durch und setze die Pistole ab.

»Wen hast du dir denn gerade als Opfer vorgestellt?«, ertönt es plötzlich direkt hinter mir und ich drehe mich halb zur Seite.

TJ lehnt mit vor der Brust verschränkten Armen an der Wand und beobachtet mich mit einem amüsierten Grinsen.

»Niemand Bestimmtes«, brumme ich zurück und nehme die Kopfhörer wieder ab. Es folgt die Brille. Danach drücke ich auf den kleinen Knopf an der dünnen Holzwand, sodass die Zielscheibe herangefahren kommt und ich das Trefferbild inspizieren kann.

»Alle Achtung«, sagt mein Kollege anerkennend und tritt neben mich. »Alle im und um das Zentrum herum. Mit dir sollte man es sich anscheinend nicht verscherzen.«

»Das solltest du dir besser aufschreiben«, erwidere ich und werfe ihm einen Seitenblick zu.

»Pfft ... Nach Riley bin ich hier der beste Schütze im Revier«, stellt er mit herausgestreckter Brust klar und ich verkneife mir ein Lächeln.

»Nur Zweitbester? Und dann auch noch hinter einer Frau? Oje, Sanders, du solltest mehr üben.« Keine Ahnung, warum ich gegen ihn sticheln muss, aber außer ihm ist gerade niemand hier und ich brauche dringend eine Ablenkung.

Nachdem Wochenende in Winchester und der Tatsache, dass Riley und ich jetzt sozusagen ein Paar sind, wenn auch noch nicht wirklich offiziell, habe ich so überhaupt keinen Bock auf den Alltag. Viel lieber wäre ich heute früh zu meiner Süßen in die Wohnung geschlichen und hätte mich mit ihr im Bett versteckt, doch die Pflicht ruft. Einen weiteren Tag blau kann ich derzeit nicht machen, immerhin haben wir einen Fall zu klären.

Seit dem dramatischen Zwischenfall bei der Ergreifung von Ruben Ramirez haben wir herausgefunden, wie sich der gesuchte Drogenbaron und der ehemalige Uni-Professor kennengelernt haben. Über Mittelsmänner. Der Drogenboss hat überall im Land seine Leute, die den Stoff für ihn unters Volk bringen, also theoretisch, denn keiner von denen macht sich mehr selbst die Hände schmutzig. Dafür haben sie ihr Fußvolk, das sich auf den Straßen unter die Bevölkerung mischt. So auch der Afroamerikaner namens Stitch, der das Haschisch regelmäßig beim Professor bestellt und abgeholt hat. Der Intellektuelle hat zwanzig Prozent pro Tüte verdient. Nicht die Welt, aber auf den Monat hochgerechnet, kam schon ein ordentlicher Zuverdienst zusammen. Die IT-Abteilung hat seine finanzielle Situation durchleuchtet und ein Konto in Thailand aufgetan, auf das er regelmäßig Geld eingezahlt hat. Außerdem besitzt der schlaue Rentner einen Bungalow direkt am Strand von Ko Samui, wo er sich im nächsten Jahr zur Ruhe setzen wollte. Zu früh gefreut, mein Lieber!

Derzeit versuchen wir herauszubekommen, ob Dr. Alejandra Lopéz irgendwie in den Fall involviert ist. Bis jetzt deutet nichts darauf hin, dass sie von Ruben in ihrem Haus wusste, doch mein Bauchgefühl, auf das ich mich bisher immer verlassen konnte, ist da anderer Meinung.

TJ stellt sich in die kleine Kabine nebenan und bereitet sich auf sein eigenes Training vor. Ich starre einen Moment geradeaus und frage mich, wie viel er von den letzten Wochen weiß. Hat ihm Riley von unseren heißen Stunden während der Observierung erzählt? Das ihre Freundinnen Candice und December über uns im Bilde sind, ist mir bereits aufgefallen. Mehr als ein Mal habe ich die beiden Frauen dabei ertappt, wie sie mich beobachtet und anschließend getuschelt haben. Mit eingeweihten Busenfreundinnen kann ich leben, aber TJ ist Rileys bester Freund und Männer reagieren anders, lassen eher den Beschützer heraushängen.