1.) Keine Rückzieher mehr (Nadia)
Der Wecker riss mich aus den Schlaf. Grummelnd drehte ich mich zu meinem Nachttisch hin und wollte nach dem Wecker greifen. Ich fand ihn zwar nicht sofort, aber als ich den zwischen meinen Fingern bekam und ich ihn endlich ausgeschaltet hatte, war ich trotzdem noch nicht gerade gut drauf. Dusche, ich brauch meine heiße Dusche. Ich riss meine Bettdecke von meinem Körper herunter und setzte mich gerädert auf.
Mein Gott. Wieso musste ich auch eigentlich immer so lange aufbleiben und dann wenn ich im Bett liege, bekam ich einfach kein Auge zu, weil mein Gehirn an Sachen denkt, an die normal keiner denken würde. Also wie jetzt: wieso Leben die Leute in Afrika in Armut und ein paar Amis hier in Saus und Braus?
Vielleicht lag es auch einfach nur daran das ich ziemlich nervös war.
Ich zog das Haargummi aus meinen Haaren heraus. Eigentlich war ich mit einem Dutt schlafen gegangen, aber wie eigentlich immer bin ich so zerzaust aufgewacht, das man denken könne, ich hatte die Nacht über Männerbesuch. Schön wäre das. Dann hätte ich mich wenigstens vor meiner Nervosität ablenken können.
Das Haargummi schmiss ich auf den Nachttisch und dann schlich ich mich ins anliegende Badezimmer. Mein eigenes wohlgemerkt.
Müde schälte ich mich aus meinen Schlafklamotten. Einfache Schlafshorts und enges Top. Da ich sowieso kein BH trug wenn ich schlief, musste ich oben nichts weiteres ausziehen. Meinen String ließ ich wie meine Schlafklamotten im Wäschekorb verschwinden. Mama hatte Waschwoche. Von daher. Irgendwie total unmotiviert sprang ich unter die Dusche. Das kalte Wasser prasselte auf meiner nackten vom Schlaf durchgeschwitzten Haut nieder. Wundervoll. Aber wo blieb das heiße Wasser? Als nach fünf Minuten immer noch kein heißes Wasser rauskam, fluchte ich sauer auf. Ich musste morgens heiß duschen sonst fühlte ich mich einfach unfrisch. Also blieb mir auch nichts anderes übrig, als mit kalten Wasser zu duschen. Mit leicht angepisster Miene trat ich aus der Dusche heraus, schnappte mir ein frisches Handtuch und trocknete mich ab. Ich wickelte mir das Handtuch um den Körper, wickelte auch meine Haare in ein anderes Handtuch ein. Dann trat ich wieder in mein Zimmer.
"Hey, Süße." Hörte ich Mom sagen als sie ins Zimmer kam. Mal wieder ohne anzuklopfen. Wir beide konnten froh sein, das ich das Handtuch trug. Ich saß mittlerweile auf meinem Bett und cremte mich mit meiner Erdbeerbodylotion ein. Und schon hatte ich Hunger.
"Morgen, Mom!" Sagte ich und lächelte sie an. Sie hatte diese braungrünen Augen wie ich, dasselbe hellbraune Haar. Das war's auch. Mom war kleiner als ich, schlank und hatte Lachfalten. Ihre Haare trug sie immer zu einem Mittelscheitel und dann gelockt. Für mich ist sie die wunderschönste Mutter auf den Planeten und ich würde sie nie eintauschen wollen.
Doch mein Lächeln verschwand schnell wieder, als ich in ihr Gesicht blickte, das voller Sorgen und Zweifel steckte.
"Hältst du das immer noch für eine gute Idee?" Fragte Mama leise und kämpfte für einen Augenblick mit den Tränen. Ich schluckte weil ich es hasste sie so zu sehen. Und wenn die schon wegen mir weinte, dann hasste ich mich abgrundtief.
Ich blickte zu Mom und seufzte. "Ich hab ihn schon lange nicht mehr gesehen." Fing ich leise an.
Vielleicht sollte ich mal aufklären, um was es hier eigentlich geht.
Es geht um meinen Vater. Filip.
Okay, er weiß das es mich gibt, hat Fotos von mir und ich auch von ihm. Gesehen hatten wir uns nur einmal und das an meinem 13ten Geburtstag. Und das ist jetzt auch schon 7-8 Jahre um den Dreh her.
Seitdem war der Kontakt wie erfroren. Noch nicht mal zu meinen Geburtstagen gab es ein Happy Birthday.
Und außerdem war es nie wirklich einfach gewesen. Mein Vater hatte eine Frau und Mom war eben nur die Affäre.
Und jetzt da ich 20 bin -ich wollte es schon früher machen, aber hatte immer einen Rückzieher gemacht-, wollte ich mich auf den Weg nach Charming machen. Da wo mein Vater lebt und sein Leben tagtäglich für diesen MC aufs Spiel setzt. Den Sons Of Anarchy.
Ich wusste das Mom immer wieder erleichtert war, wenn ich eben diesen Rückzieher durchgezogen hab. Und ich sah ihr an das sie hoffte das ich es wieder tun werde. Den altbekannten Rückzieher den ich schon seit meinem 15ten Geburtstag mehrmals im Jahr durchzog. "Und wenn das komisch zwischen Fil und mir läuft komm ich schnell wieder zurück."
Mom nickte. "Ich halte das nach wie vor für eine blöde Idee. Du läufst ihm hinterher und er selber kümmert sich einen Scheißdreck um dich. All die Jahre hat er dir nicht mehr zum Geburtstag gratuliert. Nur an deinem 13 war das. Du hast ihn Briefe geschickt und Fotos. Er hat nie darauf geantwortet."
"Er hat immer noch eine Chance das wieder gut zu machen." Sagte ich. So schnell gebe ich meinen Vater nicht auf. Ich sah überall immer ein Funken von Hoffnung.
"Er ist in einem MC, Darling. Er tötet Menschen, handelt mit Waffen und vermutlich auch Drogen. Auch wenn er verheiratet ist, denkst du er ist seiner Frau treu? Er war ihr noch nie treu. Deshalb bist du nämlich auf der Welt." Ich sah meiner Mom an das sie mit den Tränen kämpfte. Wieso kann sie einen so gut und so schnell ein schlechtes Gewissen einreden. Ich dachte für drei Sekunden daran alles bleiben zu lassen. Aber diesen Gefallen und Gewinn wollt ich Mama nicht gönnen.
"Ich weiß, Mom. Aber..."
"Ist okay." Unterbrach Mama mich. "Schon okay. Halte das immer für richtig was du für richtig hältst. Aber wenn Filip dich enttäuscht... Ich habe dich gewarnt."
Ich nickte. "Ich weiß. Ich will einfach nur seine Perspektive hören."
"Perspektive? Was für eine Perspektive? Er wollte nichts von uns wissen. Ich war nur ein bedeutungsloser MC-Groupie den er wann immer er wollte ficken konnte."
"Mom, hör auf mir ein schlechtes Gewissen einzureden!" Rief ich und bereute es sofort meine Mom angeschrien zu haben. Erschrocken blickte sie mich an und ich sie. "Tut mir leid. Das wollte ich nicht Mama!"
"Schon okay." Sagte sie.
Sie schluckte, ließ Verletzt den Kopf hängen und hob abwehrend die Hände als ich aufsehenden wollte. Automatisch setzte ich mich wieder aufs Bett.
"Du bist alt genug. Also kannst du machen was du willst. Tut mir leid. Mach dich fertig. Ich will dich nicht aufhalten. Ich denke du willst ja heute noch in Charming ankommen."
Sie blickte wieder auf und schaute mich für ein paar Sekunden mitleidig an. Dann drehte sie sich um und wollte aus dem Zimmer verschwinden. Aber sie hielt inne und drehte sich langsam zu mir um. "Wir beide haben nur uns. Wir haben hier in Amerika niemanden, zu denen wir noch Kontakt haben. Und nur der Gedanke tut mir weh, wenn dich dein Vater wieder enttäuscht. Aber dieses Mal wird er in dein Gesicht sehen. Hoffentlich merkt er dann was er angerichtet hat." Mom machte eine kurze Pause und redete dann weiter. "Du bist so ein tolles und wunderhübsches Mädchen. Du hast vieles erreicht. Versprich mir eins, wenn du deinen Vater triffst, dann nicht im Umfeld der Sons."
Wenn ich ihn Überhaupt kennenlerne und er nicht irgendwie schon tot ist.
Dann ließ mich Mama aber wirklich alleine und die Tür fiel zu. Auch wenn ich die Gefahr laufe das millionste mal von Fil enttäuscht zu werden, ich musste es einfach durchziehen. Ich musste nach Charming und mit eigenen Worten von ihm hören, wo ich bei ihm war.
DU LIEST GERADE
[1] Lean On Me [SOA] ✔️.
FanfictionLean On Me hält sich an die erste Staffel von Sons of Anarchy und dreht sich um Nadia Kramer, die sich eines Tages auf den Weg nach Charming eine kleine Stadt in Nord Kalifornien begibt, um ihren richtigen Vater kennenzulernen. Als sie in Charming a...