Wenclair

Kapitel 25

Als ich am nächsten Morgen aufwache, kommt mir die Situation leicht vertraut vor. Enids Gesicht liegt entspannt in meiner Halsbeuge und mit ihren starken Armen drückt sie mich an sich. Aus den Tiefen ihrer Kehle kommt ein leises, summendes Geräusch der Entspannung, offenbar kann sie ihre Werwolfform noch nicht ganz kontrollieren.

Langsam und tiefenentspannt lege ich einen Arm um meine Liebe und atme den Vanilleartigen Duft ihrer gesträhnten Haare ein. Mein Verstand benebelt sich wie nach Alkohol oder ähnlichem. Lächelnd gebe ich ihr einen Kuss auf die Stirn, dann stehe ich vorsichtig auf, um sie nicht zu wecken. Heute ist sie wohl der "Morgenmuffel".
Blitzartig kommt mir eine Erinnerung in den Sinn. Tyler. Ich habe ihn total verdrängt. Ich beschließe, ihn zu besuchen, aber dieses Mal denke ich an alles. Auf einem kleinen Zettel schreibe ich, dass ich in Jericho bin, klebe ihn gut sichtbar an die Tür, packe meine Sachen und gehe. Es ist jetzt kurz nach 9:00 Uhr und ich möchte gegen 12:00 Uhr zurück sein. Spätestens.

Der späte April will scheinbar nicht aufhören mit seinen Wetterschwankungen. Ein lauter Wind pfeift mir um die Ohren und Regen fällt stetig aus den rauchgrauen Wolken. Aber das konnte man aus dem Fenster nehmen und deshalb habe ich einen Schirm dabei.

In Jericho suche ich das Weathervane auf und gehe sofort zum Schalter. Niemand ist da. Ich warte eine Minute, aber niemand kommt, weshalb ich die Klingel betätige. Kurz darauf kommt er. Seine blonden Locken  fallen ihm ins Gesicht und sein Lächeln wirkt - wie immer - nervös, unschuldig und freundlich.

,,Hallo. Ich dachte schon, du hast mich vergessen.“ ,,Es gab viel zu tun,“ weiche ich aus. ,,Einen doppelten Espresso? Nehme ich an...“ Meinen durchdringen Todesblick nimmt er als ein Ja und drückt die ersten Knöpfe an der Maschine. ,,Wie geht es Enid?“ ,,Gut.“ ,,Und...“ Er scheint noch mehr fragen zu wollen, aber ich unterbreche ihn:,, Ich will nicht über Enid reden.“ Nicht mit dir. Er schweigt. Ich zögere kurz, dann frage ich: ,,Warum warst du im Wald, als Enid mich angegriffen hat?“ ,,Warum sollte das wichtig sein? Ich bin spazieren gegangen, habe Enid heulen gehört und bin ihr gefolgt. Dann sah ich, wie sie sich langsam zurückverwandelte und du vollkommen blutüberströmt, bewusstlos und kaum atmend am Boden lagst. Enid war komplett aufgelöst... Und auch verwirrt.“ ,,Wegen dir, nehme ich an.“ ,,Natürlich. Vor wenigen Monaten haben wir noch erbittert um Leben und Tod gekämpft. Und dann helfe ich ihr. Natürlich ist sie dann aus dem Konzept.“ Er zögert kurz. ,,So wie du.“ Er hat meine Unruhe damals bemerkt.

,,Wednesday, das ist nicht der Grund, warum du hier bist, oder?“ Nein, aber wie kann ich dir vertrauen? ,,Tyler. Weißt du irgendetwas über eine Bedrohung oder ähnliches? Vielleicht seltsame Morde, verschwundene Leute oder was weiß ich, verstörende Sichtungen?“ Er blinzelt verwirrt. ,,Ja! Mein Vater hat einmal mit jemandem Telefoniert. Er wirkte verwirrt und hat gesagt: "Wenn wir die Ursache des Gemetzels nicht finden, müssen wir Jericho evakuieren!" Ich habe mir nichts dabei gedacht, in letzter Zeit sind öfter mal Morde passiert. Aber vielleicht kann ich mehr darüber herausfinden, wenn du willst.“ Ich kann nicht, glauben, dass ich das jetzt sage. ,,Ja, bitte.“ ,,Kann ich machen. Alles, was dir hilft.“ Ich nicke und das Gespräch ist beendet. Ich nehme mir den Kaffee und setze mich an einen leeren Tisch. Gedankenverloren trinke ich die Flüssigkeit und überlege, was ich noch tun kann. Händchen schaut nach Xavier, bald sollte er zurück sein, Enid und Eugene wissen über das nötigste bescheid und Tyler kann mir helfen. Dass ich ihm noch traue... Kaum zu glauben. Wagt er einen falschen Schritt, werde ich ihn ohne zu zögern ermorden. Goody ist zurück und wird mir helfen... Bianca! Ich muss auch mit ihr reden. Sie hat die nötige Autorität, um die Schule auf einen möglichen Kampf vorzubereiten. Und ihren Sirenengesang.

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Die Fronten verhärten sich und ein kalter Wind kündigt einen Krieg an. Was wird passieren? Niemand weiß es.