Wenclair

Kapitel 44

Es ist 9:42, als ich aufwache. Ich habe viel zu lang geschlafen! Es ist nicht nur das Training, was mir die Kraft raubt, das weiß ich. Ich werde es niemals zugeben, es niemandem verraten, aber ich habe Angst.
Ich habe Angst um meine Klassenkameraden, um die jungen Schüler, die bald in einen Krieg ziehen, in dem sie sterben könnten, um die Lehrer, die keine Ahnung von der zwielichtigen Direktorin haben.
Meine größte Angst gilt nach wie vor Enid.
Wenn sie sterben sollte, werde ich niemals ruhen können. Ich wollte ihr immer sagen, dass ich für sie töten würde. Sollte sie mich jetzt fragen, ich werde für sie töten. Und das wird auch unser größtes Problem im Kampf sein, denke ich mir. Der Unterschied zwischen uns ist, ich würde für sie töten, sie würde für mich sterben. Im Kampf werden wir alles für die andere geben und uns unnötig in Gefahr bringen.

Schluss jetzt! Das ist Enids Geburtstag, keine dunklen Gedanken heute.

Enid wird noch etwas länger schlafen, ich packe einige Sachen zusammen und stecke sie in das Auto meiner Freundin.

Enid spricht oft von Roadtrips, ihre Familie macht nicht selten welche. Es stört sie nur, dass, vor allem ihre Mutter, nie von ihr abließ, dass sie sich nie entwolft hat. Ich werde ihr den besten Trip geben, den sie machen kann.
Ich bringe Enid ihr Lieblingsfrühstück ans Bett, welches aus Croissants, Rührei und O-Saft besteht. Ich muss sie fast nicht wecken, der Geruch des frischen Gebäcks erledigt alles. ,,Alles gute zum Geburtstag, Cara Mia. Gut geschlafen?“ ,,Mhm,“ nuschelt sie. Ich glaube, man nennt so jemanden wie Enid einen Morgenmuffel, ich bin mir aber nicht sicher.
,,Bereit für den besten Geburtstag deines Lebens?“ ,,Mhm.“ Sie hat ein riesiges Lächeln im Gesicht, aber ihre Augen sind zu und ihre Haare sind scheinbar überall.
Vor ein paar Wochen haben wir einen Disneyfilm geschaut, Frozen. Enid erinnert mich an Anna, die Schwester von der seltsamen magischen Königin. Anna hat in einer Scene, am Tag von Elsas Krönung, verschlafen und hatte eine löwenähnliche Mähne, lächelte stark und hatte noch die Augen zu. Abgesehen von der Haarfarbe sehe ich gerade keine Unterschiede.

,,Mach dich schick, Süße, wir machen einen Roadtrip!“ Sie atmet hektisch ein. ,,Wo fahren wir hin, Wends?“ Sie steht eilig auf und stürzt zum Kleiderschrank. ,,Das ist noch ein Geheimnis. Wir nehmen wieder dein Auto und ich werde dir sagen, wo du langfahren musst.“

Eine halbe Stunde später sind wir in Enids Auto und sie befolgt genau meine Anweisungen, wo sie hinfahren soll. Unser erster Stop ist ein kleines Restaurant, eine Nachbarstadt entfernt von Jericho. Es ist alles romantisch eingerichtet, mit Kerzenschein und blutroten Rosen. ,,Naww, Wends, das ist so süß!“ ,,Wie waren noch nie Essen, also dachte ich mir, es wird Zeit.“ ,,Oh ja! Ich danke dir!“ Wenn sie wüsste, was später noch kommt! Ich checke meine Tasche, das Geschenk für sie ist sicher verstaut. Ich lächele ein wenig. ,,Setz dich.“

Wir verbringen ein paar Stunden im Restaurant, reden viel und stärken uns für den Rest der Reise. ,,Komm, wir müssen weiter. Die Fahrt ist lang und ich will noch vor Abend da sein. Es ist kurz nach zwei.“
Während wir fahren, durchlöchert Enid mich förmlichl und fragt, wo wir denn hinfahren. ,,Wie gesagt. Das ist noch geheim!“ ,,Na gut!“ Sie tut so, als wäre sie beleidigt. Wir unterhalten uns über so manche Themen, und dann, nach Stunden, sind wir da. ,,Wends, hier waren wir schon einmal!“ ,,Ich weiß. Komm mit auf die Wiese.“

Wir sind in einem wunderschönen grasbewachsenen Tal, welchen mit wenigen Felsen verziert wird. In der Mitte liegt ein runder, kreisförmiger See, der das Licht spiegelt.

Wir steigen aus, ich nehme ein Körbchen aus dem Kofferraum und breite eine Decke auf dem weichen Gras aus. ,,Ein Picknick!“ ruft Enid erfreut. ,,Es ist so einfach dich glücklich zu machen, brauchst du überhaupt noch meine Überraschung?“ ,,Eine Überraschung?“ ,,Ja, eine Überraschung. Und keine Sorge, du wirst sie bekommen.“ Sie lächelt voller Freude und wir machen es uns auf der Decke gemütlich. Der Himmel ist inzwischen in ein sanftes Rosa getaucht.

Wenn ich Enid einer Farbe zuordnen sollte, es wäre das Rosa des Himmels, welchen den Sonnenuntergang ankündigt. Die Farbe passt zu ihrer Persönlichkeit.

Nach dem Picknick legen wir uns auf den Rücken und schauen in den Himmel. Eine Ewigkeit spricht niemand ein Wort, Aufregung durchströmt mich. Ich werde ihr gleich mein Geschenk überreichen. Die Sonne soll nur richtig stehen. Noch 30 Sekunden. 29, 28... ,,Wednesday, du hast dich wahnsinnig verändert, weißt du das?“ 26... ,,Inwiefern?“ ,,Nun ja, du bist netter und opferst dich mehr für andere.“ ,,Für dich, nicht für andere.“ 22... Enid sieht mich seltsam ironisch an.
,,Vielleicht ein bisschen für Bianca... Und Yoko... Okay okay!“ 5, 4...

,,Aber wenn ich mich wirklich verändert hätte,“ ich stehe auf und ziehe Enid an der Hand mit hoch. Verwirrt und gespannt beobachtet sie, was ich mache. Ich laufe sehr langsam im Kreis um sie herum, ,,dann würde ich dir jetzt, genau jetzt,“ Mit einem Mal taucht die Sonne den gesamten Himmel in ein wunderschönes Orangerot, als ob der Himmel selbst aus Honig wäre, ,,sagen, wie wunderschön du bist.“ Ich bleibe einen halben Meter vor ihr stehen.

,,Ich würde mich vielleicht vor dir verbeugen, oder ähnliches.“ Ich gehe auf ein Knie, ziehe die Überraschung, ein kleines Kästchen, aus meiner Tasche und halte es hoch.
,,Und dann würde ich folgendes sagen: Enid Sinclair, du bist die wundervollste Person die ich kenne, ich liebe dich über alles auf der Welt und würde nichts scheuen, um für dich zu töten.“ Das Kästchen klappt auf und ein kleiner Ring mit einem Rosenquarzkristall springt hervor.
,,Wir sind seit einem halben Jahr zusammen, aber ich weiß, es ist richtig so und deshalb möchte ich dich fragen: Willst du mich heiraten und den Namen Addams tragen?“

Enid hat während meiner Worte die Hände vor den Mund geschlagen und Tränen fließen aus ihren Augen. ,,OMG JA! Ja, Wednesday, ja ich will!“

Ich will ja nicht selbstverliebt klingen, aber das war die kreativste Rede, die ich je geschrieben habe🙏 😂❤️