Kapitel 41

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,,Du hast eine Freundin!“ ruft Enid schon fast. Händchen dreht sich etwas in Richtung des Busches und macht eine einladende Handbewegung, dass jemand kommen soll. Es raschelt kurz unter dem Busch, dann kommt eine blasse Hand herausgekrochen. Ihre Haut ist makellos, ihre Fingernägel gefeilt und sauber. Sie klettert auf meine andere Hand. Sie ist eine linke Hand, fällt mir auf. Vielleicht ein eher uninteressanter Fakt, aber ich lasse keine Details weg.

,,Guten Tag. Freut mich, dich kennenzulernen. Wednesday Addams.“ sage ich höflich. Sie macht eine Art Knicks und symbolisiert mir damit, dass "die Freude ganz ihrerseits" ist. ,,Wie heißt du denn?“ ,,Lady Fingers“ ,,Na dann: Willkommen in der Familie, Lady Fingers.“ Händchen erzählt mir, dass die beiden gerne eine Weile für sich haben möchten, die sechs Wochen Ferien waren auslaugend und hart und nun wollen sie gerne irgendwo hingehen, wo sie ihre Ruhe haben. Natürlich kann ich nichts dagegen sagen, auch wenn ich ein paar Einwände habe. ,,Na gut. Aber passt auf euch auf, ja?“ flüstere ich ihm zu. Er "nickt". Morgen wollen sie wieder los, aber zuerst muss er mir von der Direktorin erzählen und sie müssen sich ausruhen. Wir gehen in unser Zimmer. Enid und Lady Fingers verstehen sich sehr gut und unterhalten sich, während Händchen mir alles erzählt, was er gesehen hat. ,,Sie sind es sind also mit Sicherheit,“ frage ich abschließend noch einmal nach. ,,Ja. Wir haben sie gesehen. Es ist eine Armee, Wednesday.“ ,,In Ordnung. Wir müssen das schaffen!“ Ich bin immer noch fest entschlossen.

Händchen und seine Freundin verbringen Zeit in unserem Zimmer, während Enid und ich in der Cafeteria etwas essen. Es ist ein schöner erster Tag und Lady Fingers wird sich gut in der Familie zurechtfinden. Am Tag darauf gehen Händchen und sie aber schon wieder. ,,Pass auf dich auf, Händchen. Du bist das einzige Familienmitglied, welches ertragbar ist.“ ,,Ich werde nicht für immer gehen.“ ,,Du vergisst die Lage, in der wir uns befinden.“ ,,Tue ich nicht. Und ich werde auf Lady Fingers und mich aufpassen, versprochen. Wir werden wiederkommen.“ Ich schlucke meine Sorgen um ihn hinunter und nicke. ,,Ich weiß, du schaffst das.“ Zwischen uns beiden herrscht ein unnormaler Moment des Schweigens. Wir beide waren immer kühle Köpfe, raffiniert, kalt, klug, reserviert und abweisend. Dann kam Enid in mein Leben und Lady Fingers in seins. Er wird ein guter Partner sein, das weiß ich, aber es fühlt sich so an, als hätten wir beide nun ein Kapitel unseres Lebens abgeschlossen. Es fühlt sich so an, wie damals, als ich meinen Roman beendet habe. Danach habe ich ein neues angefangen, ein neues Kapitel meines Lebens. ,,Du hast dir eine gute Freundin geangelt. Sie wird gut zu uns passen.“ sage ich vorsichtig und sehe zu Enid und Lady Fingers, die sich die Nägel lackieren. Lady Fingers trägt sich gerade einen dunkelroten Nagellack auf. ,,Enid wird sie sofort vermissen, das weiß ich. Sie braucht jemanden, mit dem sie so etwas machen kann. Übernachtungspartys, Make-Up-Abende und Komödien.“ Selbstzweifel überschwemmen mich wie noch nie in meinem Leben. Bin ich wirklich gut genug für sie? Kann ich ihr bieten - geben, was sie braucht? Was, wenn sie irgendwann mehr ihren Interessen nachgehen will und ich das nicht kann?

,,Wednesday! Du hörst dich an wie Gomez damals.“ ,,Wie mein Vater?“ ,,Er hatte auch Zweifel und Ängste wegen Morticia. Die Kurzfassung ist, dass er dann alles garan gesetzt hat, um für sie zu sorgen, um sie zu beeindrucken. Das war in deinem Alter.“ ,,D-du meinst, ich soll mit ihr tanzen, ihr Rosen schenken, sie beim Küssen auffressen und genauso unbedacht sein wie zwei Kojoten?“ Das kann ich nicht, das weiß ich. Selbst, wenn ich es wollte, was definitv nicht der Fall ist. ,,Nein. Du musst deinen eigenen Weg finden, deine Liebe glücklich zu machen. Enid ist nicht Morticia und du nicht Gomez.“ Verzweifelt überlege ich, was ich tun soll. ,,Wednesday, Kopf hoch. Du bist doch sonst nicht so unglücklich. Vergiss nicht: Du bist eine Addams.“ Krampfhaft muss ich lächeln. ,,Danke.“

Es wurde endlich wieder Unterricht angesetzt, nach einem Vierteljahr ohne und wir müssen uns ranhalten, denn die verlorene Zeit muss wettgemacht werden und die Lehrer beeilen sich mit den Themen. Ich verbringe aber nicht weniger, sondern immer mehr Zeit mit Enid. Ich lasse mich auf Filmabende ein, die keinen Horror beinhalten, sie führt Make-up-Tutorials mit mir durch, die ich aber niemals wieder anwenden werde, sie macht mich ein bisschen mit dem Internet vertraut, zeigt mir Instagram, YouTube, TikTok und so einiges mehr, dass mir hinterher der Schädel raucht. Aber ich versuche, Interesse an ihrem Alltag zu zeigen und hole nach, "was ich in den letzten fünf Jahren verpasst habe", wie es Enid ausdrückt. Es macht sie glücklich, und wenn sie es ist, bin ich es auch. Es vergehen schon wieder Wochen, in denen Enid und ich vieles unternehmen, aber Bianca bittet uns beide dann schließlich, vor den Herbstferien, dem Training zuzuschauen. Von 14:30 bis 16 Uhr schauen wir beide uns Kampfmechaniken, Waffenkünste und Co. an. Die Schüler sind wirklich gut, im Messerwerfen gibt es einige fast unschlagbare, einige Schüler aus der unteren Stufe haben Schusswaffen für sich entdeckt und durch das harte Training konnten sich ein paar junge Werwölfe entwolfen und ein paar Kinder, die zu keiner der vier großen Cliquen gehören, konnten einige Kräfte entfalten. Es ist perfekt. Wir sind bereit für die Armee und bereit für unsere Direktorin.

Als Enid und ich dann am Abend im Bett liegen und kuscheln, fragt sie mich, ob wir wirklich gegen diesen Feind gewinnen können. ,,Enid. Eins weiß ich: Wir werden gewinnen.“ Dann ergänze ich: ,,Koste es, was es wolle. Ich verspreche es. Und am Ende können wir ein ruhiges Leben zusammen führen.“



Yayy, ein langes Kapitel😂🥳
Nach Jahren... 🥲😅 :)

WenclairWo Geschichten leben. Entdecke jetzt