Kapitel 46

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Der 31. Oktober. Der letzte Tag vor November, dazu noch Halloween.
Ich habe Halloween schon immer verabscheut. Kleine Kinder in möchtegern-Kostümen, die gruselig aussehen sollen, Fakeblut und irgendwelchen schwachsinnigen Drohungen, die sie den Leuten an den Kopf werfen, sobald sie die Tür öffnen. Erstens sind diese lachhaften Kostüme eine Beleidigung der Kreaturen, die sie darstellen sollen und zweitens ist das unfreundlich gefenüber denen, die in den Häusern sind. Das schlimmste an allem ist, dass man mit der Drohung, ,,Süßes sonst gibt's Saures", gleichzeitig auch um Süßigkeiten bettelt.

Und jetzt wache ich in einem Zimmer voller geschnitzter Kürbisse, Fledermaus- und Geistergirlanden, einer bunt beklebten Fensterscheibe und einer Kugel voller Süßigkeiten auf. Enid sitzt an ihrem Schreibtisch und bastelt etwas. ,,Was soll das?" frage ich und betone jedes Wort. Meine Stimme zeigt dabei nicht, wie fassungslos ich bin. ,,Für Halloween dekorieren. Ich vermute, du magst auch dieses Fest nicht. Immerhin ist es eine Beleidigung der ganzen Monster und unfreundlich, den Leuten mit Saurem zu bedrohen, wenn sie nichts süßes geben, habe ich Recht?" Ihre Stimme war leicht ironisch, doch sie hat Recht. Sie kennt mich zu gut.
Ich stehe auf und gehe ins Bad. ,,Du hast Recht," sage ich noch kurz. ,,Ich will keinerlei Dekorationen in meinem Zimmer haben." Dann schließe ich die Badezimmertür. Ich war unfreundlich, aber das schiebe ich darauf, dass ich gerade eben erst aufgewacht bin. Ich werde mich gleich bei Enid entschuldigen.
Ich heirate Enid! Jeden Tag kommt mir dieser Gedanke, auch wenn unsere Verlobung schon etwas her ist. Nach dem großen Kampf werde ich Enid Sinclair heiraten und dann wird uns nichts mehr trennen können. Vielleicht sollten wir nicht unbedingt zu ihren Eltern ziehen, Enid hat schon genug Probleme mit ihrer Mutter. Meine Familie kommt gar nicht erst infrage. Wir werden in ein Haus ziehen. Wir ganz allein. Oder nicht ganz allein. Enid wollte schon immer einen Hund. Einen Golden Retriever, um genau zu sein.
Ich stelle mir vor, wie sie sich freuen würde, wenn ich ihr einen Golden Retriever bringen würde.
Ich müsste meiner Familie noch erklären, warum ich wegziehen werde. Generell müsste ich ihnen auch noch Enid erklären.
Ich muss lächeln. Im letzten Jahr hat meine Mutter mir gesagt, dass ich vielleicht sogar Freunde finde. Ich bin mir sicher, sie meinte nicht diese Art von Freunden, aber damit muss sie klarkommen. Ich grinse. Ihr Gesicht wird wunderbar sein. Und dann haben Enid und ich Zeit für uns allein. Endlich.

An das alles muss ich während der Dusche denken, und selbst eiskaltes Wasser wäscht die Flut der Gedanken nicht aus mir heraus. Nach ein paar Minuten gebe ich auf und mache mich fertig. Als ich aus dem Bad trete, ist meine Seite des Zimmers wieder frei von Dekorationen. ,,Danke Enid." ,,Hm? Oh, kein Problem... Oh, Xavier wollte mit dir reden, er hat vorhin angeklopft." ,,Wo ist er?" ,,Er sagt, er wartet in seiner Hütte auf dich." ,,In Ordnung. Ich bin bald zurück." ,,Lieb dich." ,,Ich dich auch." Dann gehe ich aus dem Zimmer, der Schule und in den Wald. Was Xavier wohl von mir will?

WenclairWo Geschichten leben. Entdecke jetzt