Beim Frühstück herrscht bei den Siebtklässlern angespanntes Schweigen. Kaum einer bekommt viel von seinem Essen runter. Gegen acht uhr werden sie alle vor die große Halle geschickt. Auch dort wird kaum ein Wort gewechselt.
Um halb neun dürfen sie die große Halle wieder betreten, die nun für die Prüfung bereit ist. Statt der vier Haustische stehen nun viele Einzeltische parat. Alle mit einem Satz Schreibfedern und Pergamentrollen vom Ministerium ausgestattet. Lily schluckt, als sie sich an einem der Tische niederlässt. Nun ist es also soweit.1. Benennen Sie ein Merkmal des Zaubertranks Amortentia.
2. Benennen Sie die Funktion eines Bezoars.
...
Lily kommt es unwirklich vor, dass sie gerade ihre Abschlussprüfung in Zaubertränke schreibt. Sie hatte sich die Fragen schwieriger vorgestellt.
25. Was bewirkt der Vielsafttrank? Benennen Sie außerdem, was bei der Anwendung zu beachten ist.
...
Irgendwann hat Lily den ganzen Fragenkatalog abgearbeitet. Sie wirft nochmal einen letzten Blick auf ihre Antworten, ehe sie ihr Blatt Pergament an die Prüfungsaufsicht, die gerade von Professor Burnham gehalten wird, abgibt. Beinahe zeitgleich mit ihr gibt auch Severus Snape seinen Antwortbogen ab. Er sucht Blickkontakt, jedoch ignoriert Lily ihn.
Nach dem Mittagessen, bei dem einige Schüler wieder gesprächiger geworden waren, geht es in Gruppen aufgeteilt hinunter in die Kerker. Da die Gruppen alphabetisch geordnet sind, sind Lily, Alice, Sirius und Remus zuerst dran. James, Peter, Marlene und Mary gehen in ihrer Gruppe in einen anderen Raum und warten, bis sie dran sind.
Im Prüfungsraum stellt Lily sich an ihren Kessel und atmet tief durch. ,,Nun denn." Ein Prüfer vom Ministerium steht vorne an der Tafel. ,,Für Ihre Prüfung bitte ich Sie, den Trank der lebenden Toten zu brauen. Sie haben dafür eine Stunde. Das Rezept liegt auf Ihrem Tisch. Zwischen Ihren Tischen finden Sie genügend Zutaten. Und los."
Sofort machen sich die Schüler an die Arbeit.
Lily ist gerade dabei, ihrem Trank das Pulver einer Affodilwurzel hinzuzugeben, als der Prüfer meint: ,,Sie haben noch fünfzehn Minuten."
Als sie dann ein Stückchen Baldrianwurzel hinzugibt und sich der Trank blässlich färbt, ist Lily mit sich zufrieden. Sie hebt die Hand, um dem Prüfer zu signalisieren, dass sie fertig ist. Dieser kommt mit seinem Klemmbrett zu ihr und überprüft die Farbe des Tranks. ,,Das sieht doch sehr gut aus, Miss Evans." Mit einem Schlenker seines Zauberstabs wird der Trank in eine Phiole, auf der ihr Name draufsteht, gefüllt. ,,Sie können gehen. Alle anderen haben noch 3 Minuten, ehe ich den Zauber spreche, durch den es Ihnen nicht mehr möglich sein wird, an Ihrem Trank zu arbeiten." Lily schaut beim Verlassen des Raumes unauffällig zu ihren Freunden. Remus ist wohl ebenfalls gerade fertig geworden, Alice schaut verbissen in ihren Kessel und Sirius' Trank dampft verdächtig.Nachdem auch die andere Gruppe ihre Prüfung hinter sich gebracht hat, sitzen die Freunde im Gemeinschaftsraum der Gryffindors. ,,Es war echt in Ordnung. Mein Trank ist zwar nicht so blass gewesen, aber ich denke, dass mir dadurch nicht zu viele Punkte abgezogen werden.", erzählt Mary zufrieden. ,,Also, bei mir ist der Kessel nicht explodiert.", gibt Marlene ihren Kommentar ab. James lächelt Lily an. ,,Mein Trank ist auch ganz gut geworden, denke ich. Dank dir habe ich im letzten Jahr echt nochmal was lernen können." Lily wird rot. Peter schaut etwas verloren drein. ,,Ich bin nicht fertig geworden.", gibt er bedrückt zu. Lily hat Mitleid mit ihm. Immerzu hat er Schwierigkeiten. Sie fragt sich, wie er es geschafft hat, ein Animagus zu werden. Schließlich muss man dafür ein guter Zauberer sein. Sirius schaut so aus, als ob er sich mit seiner Lage arrangiert hätte. ,,Mach dir nichts draus, Wurmschwanz. Mein Trank ist auch missraten. Ich muss direkt zu Beginn was falsch gemacht haben." ,,Jetzt denken wir erstmal nicht mehr dran. In zwei Tagen ist die Prüfung in Verteidigung gegen die dunklen Künste. Wir sollten vielleicht nochmal den einen oder anderen Zauber für die praktische Prüfung üben. Hey Remus, geht es dir gut? Du bist ja fast weiß.", meint Marlene. Lily schaut fragend zu James, welcher nickt. Heute ist Vollmond. Remus sieht zum Fürchten aus. Er nickt leicht. ,,Ich glaube, mir fällt gerade der ganze Stress von den Schultern. Ich werde Madam Pomfrey um einen Beruhigungstrank bitten, dann werde ich morgen wieder fit sein.", sagt er. Mary springt sofort auf. ,,Ich begleite dich.", sagt sie. Remus versucht sie abzuschütteln. ,,So schlimm ist es nicht." Doch Mary lässt sich nicht beirren. ,,Nein, nachher kippst du noch um. Komm jetzt." Die Freunde schauen ihnen nach, während sie den Turm verlassen. ,,Irre ich mich, oder verhält Remus sich seltsam?", fragt Marlene da. Lily weiß nicht, was sie darauf erwidern soll. Marlene und Alice wissen genauso wenig wie Mary von Remus' Werwolffluch. Und ehe er sich nicht Mary anvertraut, werden auch Marlene und Alice nichts davon erfahren. Zum Glück hat James die richtige Antwort parat: ,,Ach Marlene, du weißt doch wie wir Jungs sind. Es ist Remus sicherlich unangenehm, dass es ihm nicht gut geht. Und so verletzlich möchte kein Junge vor einem Mädchen sein." Marlene nickt nachdenklich. ,,Jungs, lassen wir die Mädels alleine und gehen zu mir in den Turm.", meint James dann und steht auf. ,,Hey, ich wohne da auch.", empört sich Lily gespielt. James lächelt sie an. ,,Bis gleich", sagt er und drückt ihr einen Kuss auf die Stirn.
Lily bleibt jedoch nicht lange bei ihren Freundinnen. Marlene klagt über Kopfschmerzen und beschließt, sich im Schlafsaal etwas auszuruhen. Alice hingegen möchte noch einen Brief an Frank schreiben und ihm von ihrer ersten Prüfung berichten. Also geht Lily los zum Schulsprecherturm. Auf halbem Weg hält sie jedoch inne, als sie Stimmen hört. ,,Wenn ich auch nur einem Schlammblut hier alleine begegne bringe ich es um!" Lily läuft ein Schauer über den Rücken. Die Stimmen kommen aus genau dem Gang, in welchen sie muss. Panik steigt in ihr auf. Sie kommen immer näher. Lily sitzt in der Falle. Warum ist sie nicht einfach schon vorher mit James mitgegangen?
Plötzlich wird sie am Arm gepackt. Sie kann gar nicht reagieren, als sie hinter einen unscheinbaren Wandteppich gezogen wird. Hat James vielleicht auf der Karte gesehen, dass sie direkt auf zwei oder mehrere Slytherins zusteuert? Doch als sie in das Gesicht ihres Retters schaut, erstarrt sie. Lily schaut genau in die Augen von Severus Snape. Bevor sie überhaupt nur den Mund aufmachen kann, hält er einen Zeigefinger an seinen und verschwindet hinaus auf den Gang. Er schließt sich den anderen seines Hauses an. Lily kann hören, wie sich ihre Stimmen entfernen. Sie versucht, ihre Atmung unter Kontrolle zu bringen, ihr Herz klopft wie verrückt. Was wäre passiert, wenn sie in diesem Gang auf die Slytherins getroffen wäre. Wäre einer von ihnen wirklich aufs Äußerste gegangen und hätte ihr den Todesfluch entgegengeschmettert? Daran will sie gar nicht denken. Doch nach seinem Verhalten die letzten Monate über hat Severus Snape es heute tatsächlich geschafft, Lily zu überraschen. Nie hatte sie gedacht, dass er ihr helfen würde. Warum war er überhaupt in diesem Gang? Lily lässt die Spitze ihres Zauberstabs aufleuchten. Doch die Neugier, wohin der Gang wohl führt, macht sich heute nicht in ihr bemerkbar. Sie möchte nur noch so schnell wie möglich in ihren Schlafsaal im Schulsprecherturm. Ein paar Minuten wartet sie noch, dann geht sie wieder auf den Gang hinaus und läuft so schnell und leise wie möglich zum Turm. Als sie durch das Portrait tritt, liegt der Raum in vollkommener Leere vor ihr. Nur das Feuer prasselt im Kamin vor sich hin. Durch das Fenster kann Lily den Vollmond sehen, der gerade aufgeht. Sie setzt sich in einen Sessel. Doch lange kann sie die Ruhe nicht genießen. Sie hört ein Klopfen. Mit einem Schlenker ihres Zauberstabs lässt sie das Portrait aufschwingen. ,,Mary! Was machst du hier?" Ihre Freundin schaut sie verstört an. ,,Madam Pomfrey hat mich weggeschickt und behält Remus über Nacht da." Sie setzt sich in den anderen Sessel. ,,Geht es ihm schlechter?", fragt Lily, die natürlich weiß, was mit Remus los ist. Mary schüttelt den Kopf. ,,Nein. Aber wegen etwas Stress bleibt keiner so lange im Krankenflügel." ,,Du kennst doch Madam Pomfrey. Die ist immer sehr vorsichtig.", versucht Lily sie zu beschwichtigen. Mary vergräbt das Gesicht in ihren Händen. ,,Hör doch einfach auf, mich anzulügen!", ruft sie dann aus. Bei diesen Worten erschrickt Lily. ,,Mary, was sagst du da?", versucht sie die Fassade aufrechtzuerhalten. Doch ihre Freundin lässt nicht locker. ,,Versuch es nicht Lily. Du weißt, dass Remus nicht wirklich krank ist." Sie steht auf und geht zum Fenster, durch welches der Vollmond nun klar zu erkennen ist. ,,Remus ist eigentlich jeden Monat krank. Anfangs warst du auch besorgt, seit ein paar Monaten jedoch nicht mehr. Und ich fange langsam an, ein Muster zu erkennen. Wer ist sonst nur an Vollmond krank..." Sie dreht sich zu Lily um. ,,Lüg mich nicht an Lily. Du weißt es. Und du weißt, dass ich es jetzt auch weiß." Lily schließt die Augen, nicht bereit für die Worte, die Mary nun ausspricht: ,,Remus ist ein Werwolf. Und er vertraut mir nicht genug, um mit mir darüber zu sprechen. Aber dir vertraut er. Welch Ironie, seiner besten Freundin vertraut er, seiner festen Freundin allerdings nicht." ,,Er hat es mir nie anvertraut, Mary. Ich habe es durch Zufall herausgefunden.", erklärt Lily, doch Mary kommen die Tränen. ,,Aber trotzdem, Lily. Ich bin seine Freundin, mir sollte er vertrauen! Wie kann ich ihm jetzt noch vertrauen?" ,,Mary..." Doch ihre Freundin winkt ab. ,,Ich bin müde. Kann ich hier schlafen?" Lily nickt. Sie weiß nicht, was sie sonst noch sagen soll. Sie will gerade die Treppe hinauf gehen, als sie Wolfsgeheul hören. ,,Das ist er, oder?", fragt Mary tonlos. Lily nickt. ,,Davon können wir ausgehen. Gute Nacht. Bitte versteh, Remus wollte dir nie etwas böses. Er hatte Angst." Darauf antwortet Mary nicht.
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der Hirsch, der mich das lieben lehrte
FanfictionHarry Potter/ Zeit der Rumtreiber/ James und Lily Lily Evans ist kein gewöhnliches Mädchen. Sie ist eine Hexe. Nach den Sommerferien tritt sie ihr siebtes Jahr an der Hogwartsschule für Hexerei und Zauberei an. Mit ihr auch die selbsternannten Rumtr...