Als Lily am nächsten Morgen in den Gemeinschaftsraum kommt, sieht sie Marlene, die auf dem Sofa sitzt. Diese schaut auf, als Lily sich in einen Sessel setzt. ,,Na Dornröschen? Ausgeschlafen? Du hast uns einen Riesenschrecken eingejagt." Verstört und verwirrt schaut Lily ihre beste Freundin an. ,,Was?", fragt sie. Was redet Marlene da bitte? ,,Du bist nicht in den Schulsprecherturm zurück. Ich wollte nach dir sehen. Als du nicht in deinem Zimmer warst, ist James los um dich zu suchen. Wo er dich gefunden hat, weiß ich aber nicht.", erklärt Marlene. Und als wäre er gerufen worden, taucht James gerade im Gemeinschaftsraum auf. Marlene erhebt sich, nickt einmal James zu und sagt dann: ,,Ich gehe wieder in den Gryffindorturm. Alice fragt sich bestimmt, wo ich bin." Als sie den Raum verlassen hat, sitzt Lily einige Sekunden in die Leere starrend da, bis sie ihren Blick auf Potter richtet, der noch immer an der selben Stelle steht. Sie räuspert sich. ,,Ich... ähm also... Danke Pot- ... James.", stammelt sie vor sich hin. Dieser sieht sie kurz an, nickt und will dann ebenfalls den Raum verlassen. ,,Warte!", ruft Lily ihm hinterher. Irritiert bleibt der Junge Zauberer stehen. Lily ist aufgestanden. ,,Wo hast du mich gefunden?", fragt sie. ,,Auf dem Astronomieturm. Keine Ahnung, was du da gemacht hast, aber als ich kam, hast du geschlafen. Also habe ich dich hier her getragen.", antwortet er ehrlich. Die Hexe senkt den Blick. Ja, sie weiß, warum sie dahin gerannt ist. Sie hatte Angst vor Sirius und wollte sich beruhigen. Dass sie dabei wohl tatsächlich auf dem Astronomieturm gelandet und dort sogar eingeschlafen ist, ist ihr aber anscheinend irgendwie entgangen. ,,Danke nochmal. Und ich... ich wollte mich entschuldigen. Für das, was ich gestern gesagt habe. Ich hatte kein Recht dazu.", sagt sie. James' Blick wird weich. ,,Vergeben und vergessen. Ich geh jetzt frühstücken." Lily folgt ihm durch das Porträtloch. ,,Ich habe auch Hunger.", erwidert sie nur auf seinen fragenden Blick.
In der großen Halle sitzen bereits Marlene, Alice, Remus und, zu Lilys Missgunst, auch Sirius. Die vier blicken auf, als sich die beiden zu ihnen setzen. ,,Guten Morgen.", murmelt Lily und nimmt sich ein Brötchen. Alle erwidern ihren Gruß, nur Sirius bleibt ruhig. Lily soll es nur recht sein. ,,Treffen wir uns gleich wieder bei dir im Turm, Krone?", fragt Remus James. Lily horcht auf. Der Schwarzhaarige mit den braunen Augen nickt. ,,Ja, direkt nach dem Frühstück, wenn Peter auch mal kommt."
,,Dann komme ich euch gleich mal besuchen, Marlene, Alice.", beschließt Lily. Die Mädchen schauen erst etwas irritiert, nicken dann aber erfreut.
Nach dem Frühstück gehen sie also zu dritt hinauf in den Gryffindorturm. Alice nennt das Passwort (,,Flederwicht") und das Porträt der fetten Dame schwingt zur Seite. Lily lächelt, als sie den gemütlichen Gemeinschaftsraum betritt. Im Mädchenschlafsaal setzt sie sich auf ihr altes Bett, das unbenutzt ist. ,,Sollte Potter mir mal richtig auf die Nerven gehen, schlafe ich hier.", sagt sie. Marlene kichert belustigt. ,,Keine zwei Tage hier und schon ans umziehen denken. Der Typ ist nicht so schlimm. Denk an letzte Nacht, Lily. " Alice schaut verwirrt zwischen ihren Freundinnen hin und her. Dann fragt sie: ,,Was war da denn?" So erzählt Marlene also von den Vorfällen der lezten Nacht. Und sie lässt kein ihr bekanntes Detail aus. ,,Warum warst du denn auf dem Astronomieturm, Lily?"
Genau das fragt sich auch James, der mit Sirius, Remus und Peter im Schulsprecherturm ist und weiter den Patronuszauber übt. ,,James, was ist los?", fragt Remus da. Der angesprochene schaut auf in die Gesichter seiner drei Freunde. Er seufzt und beginnt die Geschichte zu erzählen. ,,Und gefunden habe ich sie dann auf dem Astronomieturm. Sie hat geschlafen und ich habe sie dann hier hin zurück getragen. Heute morgen hat sie sich bei mir bedankt und mich bei meinem Vornamen genannt. Könnt ihr euch das vorstellen? Auf jeden Fall haben wir uns vertragen. Oder besser; sie hat sich für ihre Worte gestern entschuldigt und ich habe ihr verziehen.", endet er seine Erzählung. Remus und Peter sehen ihn ungläubig an. ,,Aber was wollte sie da? Ein Streit von vielen kann sie doch nicht so aus der Bahn werfen!", sagt Peter. James zuckt mit den Schultern. Dann meldet sich Sirius zu wort: ,,Es könnte sein, dass ich sie etwas eingeschüchtert habe, als sie gestern die große Halle verlassen hat..." Jetzt liegt es an James, ungläubig zu gucken. ,,Dein Ernst?", fragt er zur Sicherheit und sein bester Freund nickt. Kurz ist es still. Dann sagt der Braunäugige: ,,Du wirst dich bei ihr entschuldigen. Und jetzt macht mal etwas Platz, denn... SIE HAT MICH JAMES GENANNT UND NICHT POTTER! Expecto Patronum!" Diese Tatsache und die Erinnerung an Lilys dankbarem Lächeln und ihrer Umarmung zusammen geben James ein ungeheuer gutes Gefühl. Und aus seinem Zauberstab springt ein eleganter und vollkommener Hirsch, der majestätisch durch den Raum galoppiert. Er bleibt neben James stehen, der ihn stolz und gleichzeitig bewundernd betrachtet. ,,Beeindruckend.", meint Remus. ,,Allerdings.", kommt eine Stimme vom Porträtloch aus. Die Jungs schauen in die Richtung und sehen eine nicht weniger beeindruckte Lily Evans. Doch dass sie hier ist, irritiert die Rumtreiber etwas. ,,Was? Das hier ist auch mein Turm.", sagt sie. ,,Nein. Also ja! Aber... wolltest du nicht zu Marlene und Alice?", fragt James. ,,Da komme ich her. Aber sie waren mir etwas zu neugierig bezüglich letzter Nacht. Du weiß Bescheid.", erklärt die Rothaarige. Potter nickt. ,,Allerdings." Auffordernd schaut er zu dem jungen Black. Dieser kratzt sich verlegen am Kopf. ,,Also, was das betrifft... Ich wollte mich entschuldigen, dass ich dich so angefallen habe, Evans. Also.. Entschuldigung." Lily nickt. Zu mehr ist sie nicht imstande. Wortlos geht sie die Treppe hinauf und in ihr Zimmer. Sirius schaut zu seinem besten Freund. Dieser nickt ebenfalls. Die Übungsstunde der Rumtreiber ist beendet. ,,Sehen wir uns beim Mittagessen?", fragt Remus. Der Schulsprecher nickt und die drei verlassen den Turm. James bleibt alleine im Gemeinschaftsraum. Gedankenverloren betrachtet er seinen Zauberstab.
,,Sind die anderen weg?", hört er nach einiger Zeit Lilys Stimme. Er schaut auf und begegnet ihrem Blick. ,,Ja.", antwortet er rau. Lily trägt die langen roten Haare offen und diese bilden einen perfekten Kontrast mit ihren grünen Augen. Sie lächelt leicht. ,,Zeig mir bitte deinen Patronus.", verlangt sie. James schluckt. Und während er die Worte 'Expecto Patronum' ausspricht, schaut er ihr ins Gesicht. Der prächtige Hirsch springt aus seinem Zauberstab und stellt sich neben Lily. Diese betrachtet ihn fasziniert und schaut dann James an. ,,Bringst du mir diesen Zauber bei?", flüstert sie. Der schwarzhaarige Zauberer bekommt große Augen, versucht aber cool zu bleiben. ,,Es ist in der Theorie simpel. Du brauchst eine echt glückliche Erinnerung. Eine, die du fast spüren kannst. Dann sagst du den Zauberspruch.", erklärt er. Lily runzelt die Stirn. Sie hat viele glückliche Erinnerungen. Aber irgendwie sind auch alle mit etwas traurigem verbunden. Sie sitzt eine ganze Weile einfach nur in einem der Sessel und überlegt. Auch James ist still. ,,Mir fällt nichts ein.", meint die Rothaarige dann irgendwann. James bleibt weiterhin still. Wieder vergeht eine geraume Zeit. Bis Lily den Zauberstab hebt und den Zauberspruch murmelt: ,,Expecto Patronum." Nichts passiert. ,,Expecto Patronum.", versucht sie es nochmal, doch auch bei diesem Versuch bleibt es nur dabei. Nichts passiert. Frustriert schaut Lily James an. ,,Es klappt nicht." James lacht, worauf sich Lilys Augen gefährlich verengen. ,,Es wäre auch mehr als nur ein Wunder, wenn es gleich beim ersten Versuch klappt.", sagt er. ,,Versuch es nochmal." Lily hebt erneut ihren Zauberstab. ,,Expecto Patronum!" Etwas leichter silbriger Nebel kommt zum Vorschein. Lily will schon wieder frustriert die Hand senken, da sagt James: ,,Ein Fortschritt. Gut gemacht, Evans." Sie schaut ihn an. ,,Bilde dir ja nichts darauf ein, Potter. Ich habe mir vorgestellt, wie ich dir die Nase breche." Der Zauberer starrt sie kurz verschreckt an, eher er dann meint: ,,Wenn es hilft, soll es mir recht sein." Dann sieht er auf die Uhr. ,,Wir haben das Mittagessen verpasst!", ruft er panisch aus. ,,Ist doch jetzt vollkommen egal, Potter. Du verhungerst schon nicht. Expecto Patronum!", sagt Lily forsch. Langsam ist sie frustriert, dass sie diesen Zauber nicht hinbekommt. Wieder kommt Nebel hervor. Doch dieses mal scheint er ähnlich wie ein Protegozauber zu wirken und eine Art Schutzwall vor Lily zu errichten. Als er sich auflöst, ist Lily außer Atem. Sie hält sich am Sessel fest, als ob sie droht, gleich umzukippen. ,,Wow Evans. Das war echt nicht schlecht.", meint James. Die Hexe lächelt schwach. ,,Danke. Ich... uhm... Ich gehe mal hoch mich... mich ausruhen.", sagt sie und geht zur Treppe. Doch dann dreht sie sich nochmal um. ,,Potter, wir müssen heute einen Kontrollgang durch das Schloss machen. Um 9 am Porträt?" James nickt. Zufrieden geht die Rothaarige in ihren Schlafsaal und legt sich auf ihr Bett.
Zum Abendessen geht James in die große Halle, wo er bereits von seinen Freunden erwartet wird. ,,Wo warst du?", fragt ihn Sirius, noch ehe er sich gesetzt hat. ,,Hab nicht auf die Zeit geachtet."
Hätte James gewusst, dass die Konversation so ähnlich auch bei Lily und ihren Freundinnen abläuft, hätte er sich wohl etwas besseres einfallen lassen. Doch Sirius belässt es dabei, auch Remus und Peter scheinen keinen Verdacht zu schöpfen. Remus sieht blass aus. Kein Wunder, denn morgen ist Vollmond. Egal wie sehr James seine Animagusgestalt auch liebt, er wünscht sich jeden Monat aufs neue, dass er diese Fähigkeit nicht aufgrund von Remus pelzigen Problems erlernt hatte. Zu sehen, wie er sich damit quält, ist wahrhaft nicht schön.
Um 9 Uhr wartet James am Porträt auf Lily. Diese kommt gerade die Treppe herunter. ,,Dann wollen wir mal.", sagt sie. Gemeinsam verlassen sie den Turm und gehen die Treppen hinunter. ,,Am besten fangen wir in den Kerkergewölben an und arbeiten uns dann hoch." Der Schwarzhaarige nickt. Dass Lily einfach nur den unangenehmsten Teil des Schlosses hinter sich bringen möchte, weiß er nicht.
In den Gewölben finden sie eine Erstklässlerin vor, eine kleine Slytherin. Sie kauert weinend an der Wand. ,,Hast du dich verlaufen?", fragt James sie sanft. Das Mädchen nickt schüchtern und lässt sich von James aufhelfen. ,,Komm, wir bringen dich zu deinem Gemeinschaftsraum." Zu dritt laufen sie nun durch die Gewölbe. Als sie am Gemeinschaftsraum der Slytherins angekommen sind, bedankt sich das Mädchen bei James und Lily, nennt das Passwort und geht hinein. ,,Ich hätte nie gedacht, dass du nett zu einer Slytherin sein kannst.", meint Lily. Der Schwarzhaarige schaut sie an und sagt: ,,Weißt du Evans, nur weil man ein Slytherin ist, muss man nicht wie einer werden." ,,Ich bin beeindruckt, Potter." James schmunzelt. Sie gehen um eine Ecke, als eine schwarze Person ihnen in den Weg tritt. ,,Mutig, sich hier unten rumzutreiben. Und dann auch noch als Gryffindor, Blutsverräter und Schlammblut." James reagiert als erster: ,,Wer bist du? Zeig dich!" Seine Stimme ist kontrolliert. Die Person gehorcht und tritt vor. Es ist... ,,Snape!", zischt Lily. Der Slytherin verzieht kurz das Gesicht. Doch Lily behält ihre Fassung. ,,Was hast du außerhalb des Gemeinschaftsraumes zu suchen? Die Sperrstunde hat längst eingesetzt. 5 Punkte Abzug für Slytherin." Snapes Gesicht wird zornig. ,,Dass du es dich wagst, Schlammblut!" ,,Und weitere 5 Punkte Abzug wegen Beleidigung einer Mitschülerin und gleichzeitig der Schulsprecherin. Und jetzt zieh leine. Wenn wir dich das nächste mal hier unter gleichen Umständen antreffen, werden wir nicht mehr so gnädig sein.", mischt James sich ein. Snape schnaubt verächtlich, geht dann aber in Richtung des Gemeinschaftsraumes. ,,Alles klar?", fragt James. ,,Jaja, jetzt lass uns fertig werden." Lilys Stimme ist unbeabsichtigt forsch.
Den Rest der Patrouillie verbringen sie schweigend nebeneinander her laufend. Ohne weitere Zwischenfälle kommen sie relativ schnell zum Ende. Müde fällt James in sein Bett. Morgen ist der erste Schultag UND Vollmond. Er stöhnt. Er wird wohl erst Dienstag wieder den Schlaf bekommen, den er benötigt. Lily dagegen schläft schnell ein und weiß auch sonst nichts von dem so harten Schicksal von James Potter. Und wahrscheinlich würde es sie auch nicht kümmern.
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der Hirsch, der mich das lieben lehrte
FanfictionHarry Potter/ Zeit der Rumtreiber/ James und Lily Lily Evans ist kein gewöhnliches Mädchen. Sie ist eine Hexe. Nach den Sommerferien tritt sie ihr siebtes Jahr an der Hogwartsschule für Hexerei und Zauberei an. Mit ihr auch die selbsternannten Rumtr...