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Lily hatte wahrlich nicht damit gerechnet, James Potter vorzufinden, als sie hinunter in den Gemeinschaftsraum geht. Und doch sitzt er da in einem der Sessel. Er scheint sie nicht zu bemerken und Lily hat kein Interesse daran, dies zu ändern. Still setzt sie sich in den anderen Sessel ihm gegenüber und sieht, dass er die Augen geschlossen hat. Auch gut, denkt sie bei sich. Sie schlägt das Buch auf, das sie mit nach unten genommen hatte. Es ist das Zaubertrankbuch. Sie hatte es ausgeliehen, da sie sich sicher ist, dass es ihr einige Tränke ganz gut erklären könne. Vielleicht kann sie ja damit Slughorn beeindrucken. Wobei sie das ja irgendwie eh immer schafft. Dabei befolgt sie nur exakt die Angaben im Buch. Marlene und Alice sagen immer, sie habe ein Händchen für Zaubertränke. Vielleicht haben sie ja recht.

Der Vielsafttrank

Der Vielsafttrank ermöglicht den Zauberern, die ihn trinken, für eine Stunde die Gestalt eines anderen anzunehmen.

Bei professioneller Zubereitung kann die Wirkung bis zu zwölf Stunden andauern.

Das ist aber nur möglich, wenn von der betreffenden Person ein Stück, z. B. ein Haar, in den Trank gegeben wird.

,,Hey Evans. Seit wann sitzt du denn hier? Bin ich eingeschlafen?"
Genervt davon, dass sie unterbrochen wurde, hebt sie den Blick. ,,Es scheint so, Potter.", sagt sie, schaut auf ihre Uhr, seufzt, klappt das Buch zu und wendet sich ihm wieder zu: ,,Es gibt Abendessen, ich gehe runter." Sie dreht sich um und will gerade durch das Porträtloch, als Potters Stimme sie zurückhält: ,,Ich komme mit!" Schnell steht er aus dem Sessel auf und ist im nächsten Moment bei ihr. Lily verdreht die Augen, sagt aber nichts. Gemeinsam treten sie nun auf den Gang und gehen schweigend hinunter zur großen Halle. Doch James wäre nicht James, wenn er nicht doch ein Gespräch anfängt: ,,Sag mal, Evans... Warum hasst du mich eigentlich so." Lily stutzt. ,,Hassen? Warum? Weißt du, Potter, hassen ist ein etwas harter Ausdruck, findest du nicht? Ich mag dich nur nicht. Du bist ja so toll und du liebst es doch, dass dich alle Mädchen der Schule anhimmeln! Und deine ständigen Fragen nach einem Date sind die reine Hölle! Sie Nerven! Und ein Nein scheinst du auch nicht zu verstehen! Haben dir deine Eltern alles gegeben, was du wolltest, oder was ist in deiner Erziehung falsch gelaufen?" Sie überschlägt sich fast, als sie endlich mal das sagt, was sie denkt. Sie wirft einen kleinen Seitenblick auf Potter. Seine Lippen sind zusammengepresst und seine Augen leicht schmal. ,,Weißt du, Evans. Du kennst meine Eltern nicht und ich halte es für eine Frechheit, dass du so über sie redest. Ja, ich frage dich oft nach einem Date. Weißt du, warum ich das tu?! Weil ich dich liebe, und das schon lange, verdammt! Und dass du mich zu hassen scheinst, ist doch offensichtlich! Du schreist mich an, du gibst mir bei jeder Gelegenheit einen Korb und bist einfach IMMER genervt von mir, obwohl ich manchmal einfach nur anwesend bin! Weißt du eigentlich, dass du mir wehtust? Verdammt Evans, ich bin auch nur ein Mensch mit Gefühlen!" Zum Ende hin wird er immer lauter. ,,Ach Ja? Du liebst mich? Ich tu dir weh?! Weißt du Potter, genau DAS sollte dich davon abhalten, jemanden zu lieben! Am Ende wirst du nur enttäuscht! Außerdem bin ich mir bei den ganzen Mädchen, die du schon hattest, nicht sicher, ob du wirklich weißt, was Liebe ist! Und nochmal zum mitschreiben; Du bist ein selbstverliebter, arroganter und vom Glück heimgesuchter Trottel, mehr nicht! Ich lasse mir mein letztes Jahr in Hogwarts nicht von dir versauen! Also rede nur dann mit mir, wenn es sein muss!" Auch Lily ist laut geworden. Mittlerweile stehen sie vor der großen Halle. In dieser ist es ruhig geworden und fast alle haben ihre Köpfe den beiden streitenden zugewendet. James' Blick ist kühl und in seinen Augen blitzt ein Funken Verletztheit, als er die nächsten Worte ausspricht: ,,Gut, Evans. Dann wäre das geklärt." Seine Stimme ist kühl und scharf. Lily schnaubt, wendet sich ab und setzt sich dann zu Alice und Marlene, während James zu seinen Freunden geht.
,,Er macht mich wahnsinnig!", schimpft die rothaarige Hexe, während sie sich ihren Teller belädt. Marlene und Alice wechseln einen ratlosen Blick. Doch sie wissen, dass sie Lily Zeit geben sollten, damit sie sich beruhigen kann.
James sitzt schweigend bei den anderen Rumtreibern und starrt wütend sein Essen an. ,,Krone, das Fleisch ist schon tot.", versucht Sirius, seinen Freund zu ermuntern und abzulenken. Dieser schaut auf. ,,Sei still. Sei einfach still. Klar?" Er steht auf und verlässt die Halle, ohne auch nur einen Bissen zu sich genommen zu haben. Besorgt starren Remus und Peter ihm hinterher. Nur Sirius schaut feindselig zu Lily Evans herüber, die ebenfalls wenig Interesse an ihrem kaum angerührten Essen zeigt und leer darauf starrt. Doch auch sie erhebt sich kurze Zeit später, spricht kurz mit ihren Freundinnen und verlässt dann, wie James vor ihr, die Halle. Sirius folgt ihr, die fragenden Blicke der anderen ignoriert er jedoch.
Flinken Schrittes eilt er Evans nach, die in ihrer blinden Wut ihren Verfolger erst bemerkt, als er sie grob gegen eine Wand schubst. Lily schreit vor Schreck auf, da hat Black ihr auch schon eine Hand auf den Mund gelegt. Mit geweiteten Augen schaut sie zu dem größeren mit den schwarzen Haaren auf. ,,Hör mir mal genau zu, Evans! Egal, was James für Dummheiten tun mag, du bist seine absolute Schwachstelle. Genau wie seine Eltern. Ich weiß nicht, was euch beide zu diesem Streit verleitet hat, aber es gibt nur zwei Dinge, die ihn so hinrichten. Du und Mr. und Mrs. Potter. Also hast du einen seiner schwachen Punkte oder sogar beide angerührt. Solltest du das auch nur noch einmal tun, schicke ich dir einen Fluch nach dem anderen auf den Hals und glaub mir; ein schwarzmagischer Fluch wäre dir dann lieber! Haben wir uns da verstanden?" Er lässt von Lily ab, die ihn einige Sekunden noch panisch anblickt, ehe sie davonrennt. Doch in welche Richtung sie rennt, ist ihm völlig egal. Er schlägt den Weg zum Gemeinschaftsraum der Gryffindors ein.
Fluchend schmeißt sich James auf sein Bett. Gerade mal ein Tag ist vergangen und er und Evans hatten den größten Zoff seit langem. Frustriert rauft er sich die Haare.

Ein lautes Klopfen lässt ihn aufschrecken. Verwirrt schaut James auf seine Uhr. Es ist 2 Uhr morgens, er muss wohl eingeschlafen sein. Ein erneutes Klopfen macht ihn endgültig wach. Er steht auf und geht die Treppe in den Gemeinschaftsraum runter. Doch als er das Porträt öffnet, stutzt er. ,,Marlene?" Die Gryffindor lächelt unsicher. ,,Ich wollte sehen, ob es Lily gut geht. Darf ich rein?" Verdutzt macht James ihr Platz. ,,Warum kommst du erst jetzt? Es ist mitten in der Nacht!", beschwert er sich. Marlene dreht sich ihm zu und meint bloß: ,,Nach einer verärgerten Lily Evans schaut man am besten mitten in der Nacht. Entweder schläft sie nämlich, was meist ein gutes Zeichen ist, oder sie ist wach. Was ziemlich schlecht wäre. Entweder weint sie sich dann die Augen aus oder sie schmiedet Mordpläne. Und da wir unseren Schulsprecher noch behalten wollen, dachte ich, es wäre klug, wenn ich nach dem Rechten sehe. Aber ich warne dich; Nochmal werde ich mich nicht durchs Schloss schleichen. Es ist gruselig, so ganz alleine in der Nacht auf den Gängen. Zudem muss man sich vor Filch in acht nehmen." Sie dreht sich wieder zur Treppe und geht diese hinauf. James folgt ihr mit einigen Metern Abstand. Marlene klopft leise an Lilys Tür. ,,Lily?", flüstert sie, ehe sie die Tür öffnet. ,,James Potter, wo ist Lily?!", hört er ihre panische Stimme, als er schon fast seine Tür erreicht hatte. Verdutzt dreht er sich um und schaut ebenfalls in Lilys Zimmer. Der Raum ist leer und das Bett ordentlich gemacht. Von der rothaarigen Hexe keine Spur. ,,Scheiße.", murmelt er. James rennt in sein Zimmer, schnappt sich seinen Unsichtbarkeitsumhang, die Karte der Rumtreiber und seinen Zauberstab. ,,Bleib du hier, Marlene. Ich werde sie suchen.", sagt er, während er hektisch die Treppe herunter geht und durch das Porträtloch steigt. Als er sich versichert hat, dass Marlene ihm nicht folgt, holt er die Karte hervor, tippt sie mit dem Zauberstab an und sagt: ,,Ich schwöre feierlich, dass ich ein Tunichtgut bin." Auf der Karte erscheint eine detaillierte Zeichnung der Gänge Hogwarts'. Mit fliegenden Augen sucht er die Karte nach Lily ab. In der Bibliothek ist sie nicht, auch in keinem Klassenzimmer und sogar bei den Gryffindors sieht er nach. Keine Spur von ihr.
Frustriert stöhnt James auf. Und dabei huscht sein Blick per Zufall zum Astronomieturm. Und da ist er. Der Punkt mit den Lettern ,,Lily Evans". Der Punkt bewegt sich nicht, vielleicht ist sie eingeschlafen. James rennt los. Er achtet nicht auf den Tarnumhang, den er achtlos in der Hand hält, nicht auf Filch, der durch die Gänge ziehen könnte, bis er einen Schüler endlich erwischt hat. Und auch nicht auf die Gemälde und Geister. Sein Ziel ist der Astronomieturm. Und Lily. Er eilt die Stufen herauf und atmet dann die raue Sommerluft der Nacht ein. Zum Glück ist es in diesem September noch warm. Kurz sucht er mit seinen Augen alles ab, ehe sie an einem Mädchen mit feuerrotem Haar hängen bleiben. Lily schläft wirklich, zusammengekauert liegt sie an der Brüstung. Langsam läuft James auf sie zu.  Er kniet sich neben sie und fühlt zur Sicherheit noch ihren Puls. Alles gut. Erleichtert atmet er aus. Dann legt er sich und Lily den Tarnumhang über, schiebt seine Arme unter sie und hebt sie hoch. Wie er erwartet hat, ist Lily ein Fliegengewicht. Bedächtig steigt er die Stufen hinab und geht langsam, um sie nicht zu wecken, die Gänge entlang. Es kommt ihm wie eine Ewigkeit vor, bis er endlich vor dem Porträt zum Schulsprecherturm steht. ,,Phönixasche.", sagt er und das Porträt schwingt zur Seite. Drinnen steht Marlene. Verunsichert starrt sie durch ihn durch; sie kann ihn ja nicht sehen. ,,Marlene, zieh bitte den Umhang ab.", sagt James und Marlene tastet sich blind vor, bis sie den Stoff zu packen bekommt und ihn von ihnen abstreift. Zu Gesicht bekommt die die schlafende Lily, die von James getragen wird.
,,Ich bringe sie nach oben.", sagt er nur und geht zur Treppe.

der Hirsch, der mich das lieben lehrteWo Geschichten leben. Entdecke jetzt