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Für James grenzt es an ein Wunder, als er zum Abendessen in die Große Halle kommt und Mary zwischen Marlene und Alice vorfindet. Sie sieht mitgenommen aus, aber sie lächelt leicht. ,,Hallo James.", sagt sie leise. Da erhebt sich Professor Dumbledore. Mit warmen Blick schaut er die Schüler an. ,,Guten Abend, liebe Schüler. Zunächst freut es mich, euch mitteilen zu dürfen, dass Mr. und Mrs. Potter unsere neun vermissten Schüler gefunden haben. Einige von ihnen sitzen schon wieder unter uns, die anderen werden gerade im Krankenflügel von Madam Pomfrey umsorgt. Sie brauchen Ruhe, weswegen ich euch bitte, den Krankenflügel heute nicht mehr zu betreten, außer es geht euch nicht gut. Ich möchte hiermit den Auroren meinen Dank aussprechen, dass sie alle neun zurückgebracht haben." In der ganzen Halle erklingen Jubelrufe und Applaus und Mary wird von Marlene und Alice umarmt. James atmet auf. Alle sind zurück, also auch Lily. Sie lebt.

Am nächsten Morgen hört James auf dem Weg in die Große Halle ein lautes Kreischen: ,,Lilyyyyy!" Er läuft schneller und findet vor der Halle einen Knubbel aus Gryffindormädchen alias Marlene, Alice und Mary, die Lily in ihrer Mitte halten und umarmen vor. Als sie sich voneinander lösen, schaut Lily ihm direkt in die Augen. Sie wirkt etwas abgemagert, aber wie James findet schöner denn je, wie ihre Augen glänzen und ihre Lippen sich zu einem glückseligen Lächeln verziehen. Erleichtert schließt auch er sie in die Arme. Er könnte sie ewig so festhalten.

Nach dem Unterricht, dem Lily naürlich sofort wieder beiwohnen wollte, gehen die beiden Schulsprecher hoch in ihren Turm. Erschöpft zieht Lily ihren Umhang aus und lässt sich auf das Sofa fallen. Sie richtet ihren Zauberstab auf den Kamin: ,,Incendio." Sofort entfacht in diesem ein Feuer und Lily lehnt sich entspannt zurück. Irgendwann setzt James sich neben sie und reicht ihr eine Tasse Heiße Schokolade. Dankbar nimmt sie sie an. ,,Das habe ich vermisst.", murmelt sie, ,,Das alles. Einen hellen Raum, ein Feuer im Kamin..." Sie macht eine kurze Pause. ,,Ich habe deine Eltern kennengelernt." Verdutzt schaut James sie an. ,,Deine Mum hat mich da raus geholt und sie waren mit uns im Krankenflügel. Sie sind nett." James muss leicht grinsen, hat allerdings einen traurigen Ausdruck in den Augen. ,,Es war nicht geplant, dass du sie so kennenlernst. Ich hatte gehofft, dich ihnen-", doch er wird von einem energischen Klopfen unterbrochen. ,,KRONE! ICH WEIß, DASS DU DA DRIN BIST. MACH AUF!", hören sie Sirius' Stimme nur zu deutlich. James gibt ein genervtes Schnaufen von sich, erbarmt sich jedoch dann, das Porträt zu öffnen. Herein kommen die restlichen Rumtreiber. Sirius in seinem Quidditchumhang. ,,Training. Jetzt. Team ist informiert." James stöhnt. Doch Sirius gibt nicht nach: ,,Du hast McGonagal doch gehört. Sie erwartet deinen vollen Einsatz. Und den hast du beim letzten Spiel ja nun wirklich nicht gezeigt. Also los."
Fünf Minuten später verlassen die Rumtreiber, mit Ausnahme von Remus, den Turm. ,,Gehst du nicht mit ihnen?", fragt Lily ihn verdutzt. Doch er schüttelt nur lachend den Kopf und deutet zum Fenster: ,,Hast du mal nach draußen gesehen?" Und es stimmt. Als Lily nach draußen schaut, erkennt sie, dass es regnet. ,,Ich wüsste gerne,", beginnt Remus, ,,wie du es geschafft hast, bei einer Todesserfamilie zu landen." Lily seufzt. Ja, das wüsste sie auch zu gerne. Das erklärt sie auch dem jungen Zauberer, der sie grübelnd anstarrt. Die Rothaarige findet das ziemlich unangenehm. ,,Ich gehe noch in die Bibliothek, ähm... Ich muss noch was nachschlagen. Könntest du das hier Marlene von mir zurückgeben? Das sind ihre Aufzeichnungen aus Kräuterkunde, aber sie helfen mir nicht weiter. Marlenes  Aufmerksamkeit war anscheinend nicht so..." Doch Remus kommt ihr zuvor: ,,Wir waren alle nicht sonderlich auf der Höhe. Klar nehm ich die mit. Vielleicht sehen wir uns nacher ja in der Bibliothek, ich wollte auch noch etwas Stoff aufarbeiten." Lily nickt. Doch kaum ist Remus verschwunden, schnappt sie sich ihren wärmsten Umhang und macht sich auf den Weg zum Astronomieturm. Sie braucht jetzt dringend einen ruhigen Ort um ihren Kopf frei zu kriegen. Den gesamten Weg über hält sie ihren Zauberstab in der Hand.

Auf dem Turm angekommen setzt sie sich auf den Boden und betrachtet gedankenverloren ihren Zauberstab. Im Hintergrund hört sie den prasselnden Regen. ,,Avis.", murmelt sie und befindet sich nun in der Gesellschaft von ein paar kleinen grünen Vögelchen, die fröhlich umherfliegen und zwitschern. Lily lächelt bei dem Anblick. Doch dieser glückliche Moment wird von Stimmen und Geräuschen von Schritten gestört. Lily glaubt, die Stimme von Severus Snape zu hören. Da sie ihre Ruhe haben will, geht sie zum Treppenansatz. Snape und Regulus Black wollen gerade die Stufen erklimmen. Noch haben sie Lily nicht entdeckt. ,,Glisseo.", flüstert sie. Die Treppe wird zu einer Rutschbahn und die beiden Slytherins rutschen wieder runter. Schnell verschwindet Lily aus deren Sichtfeld. ,,Wer da?", hört sie Black rufen. ,,Du kannst nicht ewig da oben bleiben. Irgendwann kommst du schon runter." Im Stillen gibt Lily ihm recht. Trotzdem bleibt sie ruhig. Sie setzt sich wieder und beobachtet den Regen. Unten hört sie Snape fluchen: ,,Finite klappt nicht. Wir müssen wohl warten, bis die Rutsche wieder zur Treppe wird." Das lässt Lily etwas aufatmen. Dennoch ist sie sich ihrer Lage bewusst. Sie kann sich nicht ewig verstecken.

Einige Minuten vergehen, der Regen wird schwächer, und Lily fragt sich langsam, wie lange der Fluch auf der Treppe noch hält. Wenn es doch nur einen Ausweg gäbe, denkt sie sich und starrt die kleinen Vögelchen an, die noch immer munter umherfliegen. Da kommt ihr eine Idee. Vielleicht ist James noch auf dem Quidditchfeld. Er könnte sie vom Turm holen und Snape und Black würden nicht gerade schlecht gucken, wenn sie niemanden auf dem Turm vorfinden würden.  Lily schwingt ihren Zauberstab. ,,Accio Pergament und Feder." Mittlerweile beginnt sie zu frieren. Als ihre Schreibutensilien angeflogen kommen, die die beiden Slytherins anscheinend nicht bemerkt haben, schreibt sie mit klammen Fingern: Astronomieturm. Snape und Black belagern mich. Dann verzaubert sie das Pergamentblatt so, dass es zu James fliegt. Jetzt kann sie nur noch warten und hoffen, dass James ihre Nachricht bekommt.

Nach einer gefühlten Ewigkeit, die Lily damit verbracht hat, schweigend rumzusitzen, hört der Regen komplett auf. Sie beschließt, nach der Treppe zu sehen, die zum Glück noch immer eine Rutschbahn zu sein scheint.

,,Pssst. Lily.", hört sie jemanden flüstern. Sie dreht sich um und erblickt James auf seinem Besen. Unwillkürlich muss sie lächeln. Rasch schleicht sie sich zu ihm hin und klettert hinter ihn auf den Besen. James fliegt los Richtung Quidditchfeld und Lily hält sich an ihm fest. Es kommt äußerst selten vor, dass sie auch nur in die Nähe eines Besens kommt. Deswegen ist sie sehr froh, als ihre Füße wieder den Boden berühren.  ,,Du hattest Glück, dass ich noch die Bälle weggeräumt habe, da ie anderen sofort rein wollten. Ich habe schnell einen Trockenzauber wirken lassen und bin dann hoch zu dir. Ich frage gar nicht erst, was du da getrieben hast." ,,Danke James.", sagt Lily nur. Zusammen gehen sie zurück zum Schloss.

der Hirsch, der mich das lieben lehrteWo Geschichten leben. Entdecke jetzt