36 | die tour vermasselt

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H a n n a h

Wie Matt vorher gesagt hat, ist mein Handy inzwischen seit zwei Tagen bei der Polizei. Gleich an dem Abend noch ist einer der Detektivs des Chicago Police Departments vorbeigekommen, um es abzuholen und hat beteuert, das sie alles daran setzen werden, um den Absender der Nachrichten zu ermitteln.

Denn obwohl ich ihnen genau sagen konnte, von wem sie stammen und es eigentlich jedem klar sein sollte, hatte ich keinerlei Beweise, die das untermalen und so geistesabwesend, um den Anruf zum Beispiel aufzunehmen war ich nun wirklich nicht. Also hat uns das ganze faktisch keinen Schritt voran gebracht und wir hätten es uns auch sparen können.

Doch das hätte Matt wohl nichtmal zugelassen, wenn ich ihn vorher bewusstlos geschlagen hätte und auch Alex scheint nicht aufgeben zu wollen und übt weiterhin Druck auf die Polizei aus, damit endlich mal was passiert. Aber ich bin nach wie vor nicht sonderlich überzeugt davon, das die Polizei mir wirklich helfen will.

Nicht das ich ihnen ihr Können absprechen möchte oder die Tatsache verdrängt hätte, das Ian Ashwood so windig wie ein Aal oder vielleicht ein Wiesel ist und dazu auch noch genau weiß, welche Mittel den Cops zur Verfügung stehen. Nein, all das ist mir sehr bewusst.

Aber mein Gedächtnis ruft mir Bilder aus meiner Vergangenheit in Erinnerung und das tief verankerte Wissen, dass ein Cop -auch wenn er nie hier in Chicago gearbeitet hat- doch immer noch ein Cop ist und bleibt. Und auch wenn die Männer in Blau einen Eid abgelegt haben zu schützen und zu dienen, kenne ich das Stillschweige Abkommen, dicht gefolgt von dem Reihenschließen, das unter Cops ganz normal ist.

Ein Teil von mir kann das sogar verstehen. Diese Polizisten und Polizistinnen legen Tag und Nacht ihr Leben in die Hände ihrer Partner und Kollegen und niemand will gerne gegen jemanden aus den eigenen Reihen ermitteln oder verraten. Jedoch gibt es einen gewaltigen Unterschied, zwischen die Ehefrau anlügen, weil man trotz Diät einen Donut gegessen hat und dem vertuschen von Straftatbeständen, wie die Cops in New York es gehandhabt haben.

Deshalb finde ich es auch nicht verwerflich von mir selber, das ich auch nach mehreren Versicherungen, nicht zu hundert Prozent überzeugt bin und kein blindes Vertrauen darauf setze, das die Polizei etwas gegen Ian unternehmen wird. Zugegeben, mein Ex macht es ihnen auch wirklich nicht leicht und im Augenblick hält er wieder auf beunruhigende Weise die Füße still.

Wahrscheinlich sollte ich mich darüber freuen, dass er sich nicht erneut irgendwie gemeldet oder schon zum nächsten Schlag ausgeholt hat. Doch ich werde nach wie vor das Gefühl nicht los, das er bloß mit mir spielt und sein ganzes Verhalten dem simplen Zweck dient, mich emotional mürbe zu machen... oder schirr in den Wahnsinn zu treiben.

Beides ist inzwischen nur noch schwer abzustreiten. Ich bin schon länger an dem Punkt angekommen, den man als nur als emotionalen Erschöpfungszustand beschreiben kann. Natürlich geben mir Eliza, die anderen und vor allem Matt, die Kraft weiter zu machen, doch immer öfter setzt eine betäubende Resignation ein, die mich abstumpft.

Im Nachhinein kann ich sagen, dass ich ganz froh über die Entwicklungen vor zwei Tagen bin und das Matthew nicht zu spät war, um mich daran zu hindern, einfach zu verschwinden. Auch wenn ich sicher nicht beabsichtigt hatte, erneut vor ihm in Tränen auszubrechen oder mich ihm verheult und aufgewühlt an den Hals zu werfen oder ihm nach dem, für uns untypischen langsamen und sanften Sex, von dem Anruf, den Fotos und meiner... Panik zu erzählen. Doch all das habe ich getan und es tat gut, meine Probleme wenigstens für einen winzigen Augenblick auslagern zu können.

Aber Matthew hat mir später am Abend, nachdem die Cops wieder weg waren, erneut klargemacht, das weglaufen keine Lösung ist, er niemals wieder eine Flucht von mir vereiteln will, weil es keine mehr geben wird und wenn ich doch irgendwann wieder zu dem Entschluss kommen sollte, zuerst mit ihm rede. Zwar sträubt sich mein Fluchtinstinkt zu bleiben, obwohl es doch so viel einfacher wäre, die Beine in die Hand zunehmen und zu laufen. Doch genau dieses mach-es-nicht-und-wenn-doch-dann-sprich-erst-mit-mir hat etwas in positiver Weise zwischen uns verändert.

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