Die scheppernde Ohrfeige trifft mich unvorbereitet und mit solcher Wucht, das mein vor Angst zitternden Körper, nur wenige Sekunden später, hart auf den Boden unseres Wohnzimmers aufschlägt. Einen stechender Schmerz schießt sofort durch meinen unteren Rücken, als ich dabei gegen den Couchtisch falle und wenige Sekunde darauf etwas zerspringen höre.
Als ich meinen Kopf ein Stück zur Seite drehe, kann ich neben mir die Scherben der Blumenvase und vereinzelte roten Rosen sehen, die er mir erst vor ein paar Tagen als Entschuldigung für seinen letzten Wutanfall geschenkt hat. Er tut es immer und die ernüchternde Erkenntnis, dass er mir morgen wohl einen neuen Strauß mitbringen wird, obwohl der alte noch nichtmal die Chance hatten zu welken, hinterlässt ein bitteren, regelrecht beißendes Gefühl in meinem inneren.
Ein winziger Teil von mir, der mittlerweile fast verstummt ist, möchte aufzustehen, sich irgendwie gegen ihn wehren oder wenigstens nach Hilfe schreien. Doch dieser Selbsterhaltungstrieb ist schon seit langer Zeit fast vollständig verschwunden und kein Ton verlässt meine spröden und aufgesprungenen Lippen. Stattdessen bleibe ich einfach liegen, kauere mich wimmernd zusammen und lasse die nächste Tritte und Schläge über mich ergehen.
Langsam merke ich, wie mich jeder weitere Schlag näher in Richtung der erlösenden Ohnmacht und schwärze treibt, die im Moment der einzige sicher Ort vor ihm ist. Dort kann er mir nichts antun. Dort bin ich sicher. Doch da habe ich die Rechnung ohne ihn gemacht.
Ehe ich reagieren kann, packt er mich auch schon aggressiv an den blonden Haaren und zerrt meinen schmerzenden Körper ruppig hoch. Ohne das kleinste bisschen Rücksicht, drückt er meinen dröhnenden Kopf dabei unsanft nach hinten, sodass mir gar nichts anderes übrig bleibt, als ihm in sein wutverzerrtes und gleichermaßen hämisches Gesicht zu sehen.
Ohne es verhindern zu können, entkommt mir ein schmerzverzehrtes wimmern und ich versuche mich vergebens irgendwie aus seinem festen Griff zu winden, um dem schmerzhaften reißen an meinen Haaren und am Hinterkopf zu entkommen. Doch keine Chance. Anstatt seinen Griff zu lockern, wird er noch fester und ich halte halb krächzend, halb schluchzend still.
„Du bist doch selbst Schuld, Schatz !", betont er mit aufgesetztem Mitleid, wobei seine Stimme vom Alkohol leicht undeutlich ist. Doch allein dieser Kosenamen, lässt die altbekannte Übelkeit in mir aufsteigen.
Er spricht diesen Namen, der normalerweise ein liebevoller Ausdruck sein sollte, mit solch einer gehässigen Grausamkeit aus, das es auch ein Schimpfwort hätte sein können und obwohl ich es mittlerweile besser wissen sollte, versuche ich mich unter seinem Griff weiter zusammenzukauern. Denn ich kenne all das und vor allen ihn gut genug, um zu wissen, dass es mir nur weitere Prellungen, Knochenbruch und Schmerzen bringt.
Ehe ich reagieren kann, verpasst er mir zwei weitere Ohrfeigen und ich versuche inzwischen krampfhaft still zu halten. Ich versuche mich nicht zu bewegen. Ich versuche ihn nicht weiter zu verärgern. Währenddessen wandern seine hasserfüllten und geröteten Augen immer wieder hart über mein Gesicht, über das ungehemmt heiße Tränen fließen. Er ist nur wenige Zentimeter von mir entfernt und das penetrante Gemisch aus billigem Bier und Schnaps, seines heißen Atems schlägt mir bei jedem Atemzug unangenehm ins Gesicht.
Doch trotz seines eindeutig betrunkenen Zustands, nimmt er jede winzige Veränderung in meinem Gesicht genauestens wahr. Er sieht genau, wie sehr er mir wehtut und ich sehe, wie sehr er meine schmerzen genießt. Er genießt es mich leiden zusehen.
Noch einige Augenblicke bleibt er zu mir runtergebeugt stehen, starrt mich einfach nur an und genießt meinen verängstigen und schmerzverzerrten Anblick, ehe er mich schließlich rücksichtslos wieder zu Boden schleudert. Dumpf schlage ich auf und kann gerade so ein schmerzhaftes aufstöhnen unterdrücken.
„Hör gefälligst auf zu heulen, Schlampe, und räum auf, was du kaputt gemacht hast !", befiehlt er mir harsch, ohne auch nur den Hauch von Mitleid und die wortlose Drohung die bei seinen Worten wie immer mitschwingt, ist für mich nur allzu präsent. Stumm schluchzend presse ich meine Augenlieder zusammen und hoffe inständig, dass es endlich vorbei geht.
Nur wie durch einen dichten Nebel nehme ich wahr, wie sich seine schweren Schritte tatsächlich von mir entfernen. Ich höre wie er schlurfend unser Wohnzimmer durchquert und die Treppe hoch stolpert, aber erst als die Schlafzimmertür hinter ihm laut rumsend ins Schloss fällt, traue ich mich meine Augen wieder zu öffnen.
Und dann ist da nur noch bleierne Stille. Mein gesamter Körper ist wie betäubt und ich kann mich nicht bewegen.
Die Minuten, in denen ich einfach so verharre und schwer atmend und schmerzhaft keuchend liegen bleibe, ziehen so an mir vorbei und ehe ich mich versehe, werden sie zu Stunden. Meine Gedanken springen hektisch und wild Durcheinander und auch wenn ich es lange nicht wahrhaben wollte, weiß ich, dass ich nicht so weiter machen kann. Denn wenn ich so weiter mache, werde ich es irgendwann nicht mehr überleben. Irgendwann wird er mich, ohne mit der Wimper zu zucken, umbringen und dieser Gedanke jagt mir noch mehr Angst ein, als er selbst.
‚Du musst aufstehen ! DU musst jetzt aufstehen, Hannah !', schreit mich schließlich auch der letzte funken Lebenswillen, -den er noch nicht gebrochen hat, lautstark an und obwohl ein großer Teil von mir einfach nur noch aufgeben will, kämpfe ich mich, nach mehreren anläufen, irgendwie schwankend auf meine wackeligen Beine.
Keine Ahnung woher plötzlich die Kraft und vor allem der Mut kommt, aber irgendwas in mir scheint sich verzweifelt am Leben festzukrallen und sich ihm nicht mehr einfach zu beugen und den Kopf einzuziehen.
‚Du bist keine willenlose Puppe ! Du bist mehr und jetzt verschwinde endlich !', schreit mich diese Stimme erneut an. Diese Worte motivieren mich und ohne weitere Zeit zu verschwenden oder auf meinen schmerzenden Körper zu achten, laufe ich lautlos durch die Wohnung.
Erst an der Haustür wird mir klar, dass ich das gerade wirklich tue. Doch bevor ich es mir anders überlegen kann, schnappe ich mir schnell meine Handtasche, meinen Mantel und ziehe mir meine Sneaker über. Ein letztes mal drehe ich mich um, streife den protzigen Verlobungsring vom Finger, um ihn achtlos auf die Kommode neben der Tür zu legen und flüchte endlich aus diesem Albtraum, der so lange mein Leben war.
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Bittersweet Enemies
RomanceSie sind wie Hund und Katz oder Feuer und Benzin, -höchst explosiv und immer Gefahr laufend, sich gegenseitig umzubringen. *** Auf den eigenen Beinen zu stehen, ist für die toughe, manchmal etwas kühle und grundsätzlich sehr direkte Hannah Collins...