12 | der ex

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H a n n a h

„Ich bins, du kannst jetzt aufmachen, Sonnenschein."

Langsam und immer noch mit Kleo auf dem Arm, erhebe ich mich von den kühlen Fliesen. Meine Beine fühlen sich wackelig und irgendwie taub an, als wären sie gar nicht mehr richtig Teil meines Körpers. Mein eigener Herzschlag pocht unnatürlich laut und rasend schnell in meinen Ohren und ehe ich mich dazu durchringen kann aufzuschließen, atme ich ein paarmal kontrolliert durch und versuche alles negative aus meinem Kopf zu vertreiben. Ians Anruf. Seine hasserfüllte Stimme. Der Einbruch. Und auch meine Angst, die fast in einer Panikattacke geendet hätte. All das schiebe ich vorerst so weit wie möglich von mir weg.

Nach einigen Sekunden bin ich mir sicher, das ich ein relativ ausdrucksloses Pokerface aufgesetzt habe und man mir nicht auf den ersten Blick ansehen kann, was mir durch den Kopf geht. Matt gegenüber habe ich in letzter Zeit viel zu oft Schwäche gezeigt. Das muss ein für alle mal aufhören und im verdrängen war ich schon immer sowas wir ein absoluter Profi ! Sobald ich also meine Schutzmauern wieder hochgezogen habe, hinter denen ich schon seit Jahren meine Vergangenheit verstecke, drehe ich schließlich den Schlüssel im Schloss um und öffne die Tür.

Sofort schiebt sich Matthews vertraute, große Statur in mein Blickfeld. Noch während ich aus meinem Bad in den kleinen Flur trete, kommt er mir entgegen und überbrückt den letzten Meter zwischen uns. Mit einer vertrauten Geste umgreift eine seiner großen Hände meinen Nacken und zieht mich dann ohne ein Wort zu sagen an sich. Erstaunt und nicht minder überrumpelt bleibe ich zur Salzsäule erstarrt einfach still stehen, während Matt meinen Kopf sanft, aber bestimmt, an seine warme Schulter drückt und ich erst jetzt richtig mitbekomme, das ich fröstle.

Was zum Teufel ?! Was tut Matt da ? In welchem parallel-Universum bin hier gelandet ?, schießen mir eine Frage nach der nächsten durch den Kopf und hinterlassen ein einziges Wirrwarr. Aber sobald mir sein unverwechselbaren Geruch aus sauberer Wäsche, einen Hauch Zitrone und Matt in die Nase steigt, entspanne ich mich unwillkürlich in seiner Berührung und meine Gedanken werden wieder ein wenig ruhiger.

„Geht es dir gut, Hannah ?", fragt er, nachdem er sich geräuspert und wieder ein Stück von mir entfernt hat. Doch seine Hand bleibt weiterhin an Ort und Stelle liegen und ich bin mir nicht sicher, wer von uns beiden insgesamt erstaunter über die plötzliche und für uns beide so untypische körperliche Nähe ist. Ich meine, er hat mit dem ganze angefangen. Diese Umarmung, -oder was auch immer das war, ging von ihm aus, aber ich sehe in seinem Gesicht und an seinen zusammengepressten Lippen, das er gewissermaßen selbst nicht weiß, was er hiervon halten soll.

„Alles gut.", murmele ich schließlich leise. Das meine Antwort leider ein wenig verspätet kommt und insgesamt nicht sonderlich überzeugt klingt, entgeht ihm natürlich nicht und augenblicklich spüre ich, wie er mich mit seinem analysierendem Arztblick ganz genau beäugt. Diesem Blick, der eine nachdenklich gefurchte Stirn, leicht hochgezogene Augenbrauen und entschlossene Augen beinhaltet. Er hat mich in den vergangenen Wochen schon des Öfteren so von der Seite gemustert und wie schon die letzten Male quittiere ich das mit einem übertriebenem augenverdrehen. „Mir gehst wirklich gut !"

„Bist du dir auch ganz sicher ?", vergewissert er sich trotz meiner Beteuerung erneut und sieht Ernst und gewissermaßen auch irgendwie besorgt zu mir runter. Besorgt ? Ach bitte ! Nein, da muss ich mich täuschen ! Verdammt, diese ganze Situation, verwirrt mich offenbar völlig und bringt mich ganz aus dem Konzept, weshalb ich mit sich innerlich eine Kopfnuss verpasse, um mich selbst zur Vernunft zu rufen.

Da die imaginäre Kopfnuss leider nicht den gewünschten Effekt hat, wende ich meinen Blick schnell von diesen amberfarbenen Augen ab und lasse ihn stattdessen einmal über meinen gegenüber wandern, um mich so auf andere Gedanken zu bringen.

Bittersweet EnemiesWo Geschichten leben. Entdecke jetzt