5. Gaben dieser Welt

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Hukaru

Ich half Mao das dreckige Geschirr in dem Holzeimer zu reinigen, während sie sich mit mir unterhielt und meinen Sohn sanft in ihren Armen wog.

,, Ich werde mich morgen in der frühen Morgenstunde auf den Weg in eine kleine Stadt ein Stückchen weg von hier machen, um ein wenig Essen zu kaufen. Möchtest du das ich dir etwas mitbringe oder willst du vielleicht mitkommen? ", fragte sie mich rücksichtsvoll und strich Niruko über die Wange.

,, Ich würde gerne mitkommen, aber ich habe kein Geld welches ich dir geben könnte", nuschelte ich niedergeschlagen. Eine Frau alles bezahlen zu lassen, galt als unhöflich und abschätzend, denn Frauen gebarten die Kinder unserer Länder und verdienten es entlastet zu werden.

Ich konnte ihr diese Entlastung nicht bescheren und schämte mich, trotz meines Hintergrundes dafür.
,, Du brauchst dir um das Geld keine Sorgen zu machen. Meine Familie hat sehr viel Ansehen und schickt mir jeden Monat mehr als genug Geld ", versuchte sie mich zu beruhigen, doch der Scham blieb.

,, Trotzdem erscheint es mir falsch", gestand ich ihr bedrückt. Mao tat so viel für mein Baby und mich, doch ich konnte nicht mehr tun als ihr meine Hilfe anzubieten.

,, Ein kleiner Junge wird ab und zu auch aus dem Geldbeutel der Mutter versorgt. Euch beide habe ich bewusst aufgenommen und in mein Haus gebracht. Ihr seid wie meine Kinder, also lass es mich euch bezahlen ", bat mich Mao so klug wie sie war.

Unfähig die richtigen Wörter zustande zu bekommen, die annähernd ihre Aussage entkräftigen, stammelte ich eine ganze Weile vor mich hin, bis ich mich dann mit einem Seufzen geschlagen gab.

,, Na gut. Aber ich werde dich begleiten und dir bei deinen Einkäufen helfen ", bestand ich mit gestrafter Brust darauf. Wenn ich ihr schon kein Geld geben konnte, würde ich ihr wenigstens beim tragen helfen.

,, Wie du möchtest", stimmte sie zu und lächelte mich zufrieden an. Erleichtert machte ich weiterhin das Geschirr sauber und kippte am Ende das dreckige Wasser in die Büsche, so wie es Mao wollte.

,, Sag mal Hukaru ", fing Mao an und bekam verständlicher Weise meine Aufmerksamkeit. Würde ich mich mit ihr unterhalten und dabei ihr den Rücken zeigen, wäre das sehr respektlos ihr gegenüber.

,, Ja?", fragte ich sie hellhörig und sah in ihr altes gepflegtes Gesicht.
,, Ich weiß es ist vielleicht sehr unangebracht dich das zu fragen, aber ich kann meine Neugier nicht länger zurückhalten", beichtete sie mir verlegen.

Neugierig darüber, was ihr wohl so dringend auf dem Herzen lag, dass sie es nicht länger schaffte zurück zu halten, wandte ich mich ihr vollkommen zu.
,, Ich habe gehört, dass jeder Kyron seine eigene Fähigkeit hat und wollte daher fragen welche deine ist ", fragte sie mich aufgeregt und ich konnte ein wissbegieriges Funkeln in ihren Augen entdecken.

Ich hatte zwar nicht mit dieser Frage gerechnet, aber ich würde sie ihr trotzdem beantworten, denn es war nichts worüber ich mich hätte schämen müssen. Deshalb legte sich auch ein sanftes Lächeln auf meine Lippen, als ich ihre brennende Frage beantwortete.

,, Meine Gabe ist das Wasser. Wir sind ein Herz und eine Seele und genauso ist es auch mit den anderen Gaben, die auf dieser Welt existieren. Würde jeder Kyron des Wassers tot sein, so würde auch das Wasser dieser Erde langsam, Stück für Stück verschwinden ", informierte ich sie und konnte einen kurz aufkommenden Schock entdecken.

Viele Menschen wussten nicht wie viel wir bei dieser Welt, so wie sie war, beitrugen und sahen stattdessen sogar das Böse in uns. Sie würden sich alle selber in die Falle locken, wenn sie uns weiterhin so ächteten und vielleicht endlich erkennen was sie getan hatten. Nur wäre es dann für diese Erkenntnis zu spät.

,, Ich wusste schon immer, dass ihr wichtig seid, aber mir war nie bewusst wieso. Niemand lehrt uns, über euer Volk und wenn Menschen über etwas nichts wissen, kommt die Angst. Sie spekulieren und glauben etwas, was gar nicht der Wahrheit entspricht ".

Mao brachte den Nagel auf den Punkt, denn auch wir teilen die Schuld an dem was in der Zukunft geschehen würde, wenn wir ihnen nicht endlich die Augen öffnen. Für mein Dorf war es bereits zu spät und wer weiß wie vielen es genauso erging wie mir.

,, Leider ist das die Wahrheit und ich wünschte mir ich könnte etwas dagegen unternehmen ", murrte ich in mich gekehrt. Mein Blick lag auf dem plätschernden Bach, dessen Oberfläche durch die Sonneneinstrahlung glänzte.

Ich würde es definitiv ändern wenn ich es könnte, aber wie sollte ich das schaffen? Mein Fokus lag zuallererst auf meinen kleinen Sohn, den ich hier draußen irgendwie erziehen musste.

Meine Vergangenheit lag mir noch immer schwer im Magen und auch wenn ich die Chance dazu hätte, die Menschen von etwas anderen überzeugen zu können...wer würde mir versichern, dass sie mir zuhörten oder mir ihren Glauben schenkten.

,, Wer weiß ob die Meinungen derjenigen, die uns ins falsche Licht stellen, überhaupt noch zu ändern sind", nuschelte ich zu mir selbst und unterdrückte mir die durch Verzweiflung aufkommenden Tränen, indem ich hinauf in den Himmel blickte.

Eine zarte Berührung an meiner Wange ließ mich den Blick vom Himmel wieder senken und in zwei warme Augenpaare blicken. Mao sah mich mit einem lieblichen Lächeln an und strich mir mit ihrer Hand sanft über die Wange.

,, Nicht alle Menschen sind diszipliniert oder haben ein Einfühlungsvermögen, aber es gibt einige die bereit sind mehr zu erfahren und ich bin mir sicher das diese deinen Worten gerne lauschen würden ", versicherte mir Mao zuversichtlich.

Sie handelte wirklich sehr mütterlich, so als würden Niruko und ich schon Ewigkeiten zu ihrer Familie gehören. Ihre Liebe zu uns erwärmte mein Herz und ließ mich gut fühlen. Es gab mir das Gefühl von Zuhause. Dort wo ich sein konnte, wer ich war.

Neu entdeckte Leidenschaft (bxb)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt