Kapitel 17: Noah

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< Philipp und Lena klingen cool! Sag unbekannterweise Grüße! > schreibe ich Colin unter ein Foto vom Foodtruck an dem ich gerade stehe.
Ich bin froh, dass er sich mit den Leuten gut versteht und offenbar schon Freund*innen gefunden hat. Mir geht es hier ähnlich. Die coming out Aktionen bringen so viele Leute zusammen. Betroffene, Allies, einfach Interessierte, die zufällig vorbei laufen.
Da wir auch auf der Straße Werbung machen, und es Essen und Getränke gibt, kommt auch einiges an spontanen Besucher*innen vorbei. Ich habe vorhin meine Nummer mit Rakim getauscht. Er ist aus Algerien geflohen, weil er sich als schwuler Mann dort strafbar macht. Er wollte eigentlich Medizin studieren, aber als ein Medizinstudent auf dem Campus in seiner Heimat getötet wurde, weil er sich geoutet hatte, entschied er sich zu fliehen. Momentan lässt er sein Zeugnis prüfen und besucht zudem noch Vorbereitungskurse. Da er auf der Suche nach einem Job ist, habe ich ihm angeboten meinen Chef zu fragen, ob wir noch Leute brauchen könnten.
Am meisten gefreut habe ich mich aber über Luca. Ein vertrautes Gesicht in der Menge zu sehen hat mir ungeahnt gut getan, und mir irgendwie auch schmerzlich gezeigt, dass mir Colin fehlt.
Luca und ich wollen jetzt erstmal etwas zu essen kaufen, und dann gehen wir in die Wohnung von Colin und mir. Heute Abend habe ich dann wieder Schicht.

Als wir gerade unsere Sachen zusammen packen vibriert es in meiner Hosentasche, und ich erwarte eine Antwort von Colin, doch stattdessen ist es schon wieder mein Vater.
<Sind Ende November bei dir in der Nähe. Abendessen? Haben bei einem Italiener reserviert. Milano market. Deiner Mutter würde es viel bedeuten.>
Ich atme tief durch, und schiebe das Handy zurück in die Tasche.
"Alles okay?" fragt Luca.
Ich nicke nur. Keine Ahnung, warum ich mit niemandem darüber sprechen möchte. Vielleicht, weil ich selbst nicht verstehe was genau mein Vater bezweckt.

Zuhause dusche ich mich kurz, dann machen wir uns über das Curry her, das wir gekauft haben.
Draußen beginnt es zu regnen und zu stürmen, und am liebsten würde ich einfach zuhause bleiben. Ich merke, wie ich in eine träge Stimmung abdrifte. Ich habe heute viele coming out stories gehört. Gute, und weniger gute. Und manches, was ich gehört habe, hat mich an meine eigene Geschichte erinnert. Dann fehlt mir Colin wirklich immer mehr, und ich merke, dass ich fast kindisch eifersüchtig und wütend auf diese Juraleute werde. Leute, die mich an meinen Vater erinnern. Womit wir beim letzten Grund meiner Kraftlosigkeit angekommen wären. Es sind nur kurze Nachrichten, aber sie zehren an mir, und dass er meine Mutter jetzt noch vorschiebt ärgert mich. Denn er weiß, dass ich dann einknicke. Der Arsch weiß, dass da irgendwo tief in mir drin noch immer ein verdammtes Kind ist, dass es versucht seiner Mami recht zu machen.

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