Die ersten Wochen des Studiums waren tatsächlich richtig gut. Es ist viel Input, der Stundenplan ist voll, und so viele neue Eindrücke prasseln auf mich ein. Aber dieser neue Schritt tut auch so gut, und zum ersten Mal kann ich nachfühlen, was Colin damals gefühlt haben muss. Ich habe schon Leute kennen gelernt, und wir haben eine kleine Lerngruppe gegründet. Es ist das erste Mal seit Monaten, dass Colin nicht mehr ständig in meinem Kopf präsent ist. Meistens bin ich tagsüber inzwischen von Gedanken an ihn befreit. Bis ich mich abends ins Bett lege. Dann ist er sofort wieder in jedem Atemzug, in jedem Stern den ich durch mein Fenster sehe, er ist in jeder Berührung die ich mir selbst schenke, und manchmal ist er auch immer noch in jeder Träne.
Heute hat es zum ersten Mal in diesem Jahr geschneit. Ich habe meine Mütze zuhause vergessen, und meine inzwischen kurz rasierten Haare bieten mir keine Wärme mehr. Ich stürme etwas verspätet zu unserem Lerntreff in einem Coffeeshop in Uninähe, mit echt guten Zimtschnecken. Dank Colin habe ich diese Dinger damals lieben gelernt.
Ich ziehe den Reißverschluss meiner dunkelblauen Bomberjacke weit nach oben, und verkrieche mein Gesicht tief in Colin's altem Schal.
Als ich den Coffeeshop betrete weht mir sofort ein heimeliger Duft aus Gebäck, Kaffee und Gewürzen entgegen. Außerdem ist es kuschelig warm. Ich sehe Rakim von weitem winken. Sie haben den großen Ecktisch ergattert, auf den immer alle aus sind. Wir begrüßen uns mit einer kurzen Umarmung.
"Iiih, bist du kalt!" kreischt Clara, als ich sie an mich drücke.
"Das liegt vermutlich daran, dass es kalt IST".
"Habt ihr alle schon was geholt?" frage ich, und lasse meinen Blick über die Kaffees und Plunderteile auf dem Tisch wandern.
"Du bist zu spät", sagt Rakim und grinst.
"Sorry, " kommt es kleinlaut von mir zurück, und dann drehe ich mich zum Tresen am anderen Ende des Raums.
Und noch mitten in den ersten Schritten erstarre ich. Denn er sieht mich an. Mit aufgerissenen Augen hängen unsere Blicke für einen Moment aneinander, und ich könnte schwören, dass in diesem Moment alles still steht. Die Musik im Hintergrund, die Menschen um uns herum. Alles weg.
Ich weiß nicht, wie ich mich verhalten soll. Am liebsten würde ich einfach hier stehen bleiben und ihn betrachten dürfen. Alles an ihm aufnehmen, wie ein Kunstwerk in einer Galerie. Er sieht verändert aus. Er trägt einen Anzug, und darüber einen dunklen Dufflecoat. Sein Haar ist an den Seiten kürzer, und oben gestylt. Ich kann sehen, wie er schlucken muss. Ihn anzusehen bringt mich beinah um, und gleichzeitig kann ich mir nicht vorstellen je wieder damit aufzuhören.
Er blinzelt, und dann lächelt er leicht. Es ist ein verhaltenes Lächeln, eines das noch immer alte Wunden offenlegt. Trotzdem ist es irgendwie mein Zeichen, und ich gehe langsam auf ihn zu. Hinter ihm lehnt sich in diesem Moment ein Mann in seine Richtung und sagt etwas zu ihm. Ich spüre ein elendes Gefühl in der Magengegend. Der Typ ist um einiges älter, aber ziemlich attraktiv. Irgendwie erinnert er mich an meinen Vater, was ich einen ziemlichen Abturner finde. Der Typ zeigt auf einen der kleinen Tische am Fenster, und Colin nickt. Dann geht der Typ auf eben jene Tische zu. Dadurch kreuzen sich unsere Wege kurz, und in Gedanken schubse ich ihn möglicherweise durch die Glasscheibe. Himmel, ich arbeite ja an mir! Aber es geht eben nicht alles von heute auf Morgen!
Und dann stehe ich plötzlich vor ihm.
Colin.
Nach all diesen Monaten.
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somewhere in between
RomanceSomewhere in between Das ist eine Fortsetzungsgeschichte zur Nolin Fanfiction "ein Stein ist hart zu brechen". Noah und Colin sind inzwischen fertig mit der Schule, und es beginnen die ersten Schritte in ein unabhängiges, erwachsenes Leben. Doch bei...