Kapitel 59: Noah

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Ich will mir diesen Moment so gerne festhalten, will ihn einfalten in Seidenpapier, und ihn ewig behalten dürfen. Diesen Moment wo ich nochmal in seine Augen sehen darf, mir nochmal seine Gesichtszüge einprägen kann. Er sieht so erwachsen aus. Am liebsten würde ich mit meiner Hand über seine Wange streifen, seine Lippen und sein Kinn nachfahren, und mir jede harte Kante und jede weiche Welle einprägen.
Stattdessen trete ich einfach zur Seite, um ihn gehen zu lassen. Er hat mit mir gesprochen. Das bedeutet mir was. Und auch wenn ich ihn am liebsten an mich drücken würde, weiß ich, dass ich ihn ziehen lassen sollte.
Als er sich zu seinem Praktikumschef setzt, und ich ihn dabei still beobachte, da stelle ich mir für einen Moment schmerzhaft vor, wie sein Leben wohl ohne mich verlaufen wird. Wie er vielleicht heiraten wird, aber eben nicht mich. Wie er abends an seinem Schreibtisch sitzt, sein Partner ihm liebevoll übers Haar streicht, und ihm eine Tasse Tee neben seine Unterlagen stellt.
Ich muss mich abwenden, weil ich schon spüre, wie sich meine Kehle verengt.
"Einen Kaffee und eine Zimtschnecke, bitte", sage ich mit gebrochener Stimme.
Dann gehe ich zurück zu Rakim und den anderen. Die diskutieren gerade wild darüber, über welches Portal denn nun die Anmeldung zur Biochemie Klausur stattzufinden hat, und ich setze mich dazu. Mein Kopf ist wie in Watte gepackt. Ich atme den Duft meines Kaffees ein. Ich mache mir dank Colin inzwischen gerne etwas Zimt in meinen Kaffee. Irgendwie beruhigt mich das. Ich schließe einen Moment die Augen, und versuche mich weg zu träumen. Raus aus diesem Coffeeshop, weg von Rakim und den anderen, weg von alten Juristen die wie mein Vater aussehen und weg von ihm.
Colin.

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