Kapitel 30: Colin

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Ich habe Luca und Julia zum Bahnhof begleitet. Keiner von uns hatte noch Lust zu feiern, aber ich war froh, wenigstens eine Runde an die frische Luft zu kommen.
Als ich dem Zug hinterher schaue, wie er sich durch die Nacht davon schlängelt, da packt mich ein Sehnsuchtsgefühl. Ein Teil in mir wünscht sich ein Jahr zurück. Wieder aufs Internat, wieder in eine eingeschworene Gemeinschaft, in ein Gefühl von Sicherheit. Und auch wieder zurück in eine Beziehung, in der ich mich zuhause fühle.
Ich weiß nicht, was mit Noah los ist, aber in letzter Zeit, da kann ich ihn kaum noch greifen. Er entgleitet mir, wir entgleiten einander womöglich, und ich habe einerseits eine solche Angst davor, was mit uns passieren könnte, und gleichzeitig spüre ich zunehmend eine Resignation. Was, wenn wir nicht mehr zueinander zurück finden?
Manchmal denkt man, eine Liebe, oder eine Freundschaft, oder eine Heimat, seien für immer. Aber die wenigsten Dinge im Leben überdauern.
Ich blicke den immer schwächer werdenden Lichtern des Zuges nach, bis sie vollends in der Ferne verschwunden sind.
Vielleicht wird Luca, Julia und mich nicht für immer ein Band der Freundschaft verbinden. Womöglich wird es vergehen. Und vielleicht werden sogar Noah und ich vergehen. Vielleicht werden wir in ganz unterschiedliche Richtungen wachsen, und irgendwann nur noch ferne Erinnerung füreinander sein. Eine, an die man zurück denkt gelegentlich, aber mit der man irgendwann gar kein Gefühl mehr verbinden kann. Weil sie wie ein altes unbewegtes Foto ist, dass dich an junge Jahre erinnert. Du wirst vielleicht einen Moment am Fenster stehen, den Blick über den Garten schweifen lassen, und dieser Nostalgie kurz nachspüren. Dann wird dein Mann von hinten die Arme um dich legen, du wirst dich an ihn lehnen wie an eine warme Wand, und der Moment wird vorüber sein.

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