Kapitel 32: Colin

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Ich stehe einen Moment im Türrahmen der Toiletten. Es fühlt sich an, als würde alles still stehen, und eigentlich möchte ich nur weg, und zwar umgehend. Weg aus diesem Raum, aus diesem Club, aus dieser Stadt, weg aus der Welt am besten.
Noahs Augen treffen auf meine, und ich versuche es wirklich zu verstehen, aber es gelingt mir nicht. Mein Gehirn will nicht begreifen, was es sieht, weil es eben nicht in die Realität passt, die es bisher gekannt hat. Ich kann sehen, wie Noah, dessen Hemd um einige Knöpfe weiter geöffnet ist als sonst, sich von dem jungen Mann löst, der da so nah an ihn gelehnt steht, und der bis vor einer Sekunde noch seine Zunge tief in Noahs Rachen und seine rechte Hand bereits fordernd reibend auf seinem Schritt liegen hatte.
Ich spüre plötzlich die Übelkeit in mir empor steigen, drehe mich endlich hastig um, und kämpfe mich durch die tanzende Menge. Wenn dieses Szenario andere als uns betreffen würde, würde es Noah vermutlich gefallen, weil das hier eine wirklich skurrile Filmszene darstellen könnte. Ein Hauptprotagonist, dessen Leben gerade dunkel über ihm einzustürzen scheint, kämpft sich durch eine Szenarie, die im Gegensatz dazu vor Freude, Lebendigkeit und bunten Lichtern schier zu explodieren droht.
Ich stürze ins Freie, lasse meine Jacke und meinen Schal gedankenverloren an der Garderobe zurück. Ich spüre die Kälte nicht, oder vielleicht spüre ich sie und heiße sie willkommen. Ich taumle um die Ecke, und war selten dankbarer für ein Taxi als in diesem Moment. Als ich auf der Rückbank bei der Abfahrt den Kopf drehe, sehe ich ihn aus dem Island stürzen und sich suchend umschauen.
Ich hole mein Handy aus der Hosentasche und schreibe ihm eine kurze Nachricht.
<Komm heute bitte nicht nach Hause.>

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