Kapitel 52: Colin

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"Ja, das stimmt", sage ich nickend.
Mein erstes Date seit Jahren, und ich bin so was von überfordert! Ich habe das Gefühl, dass mir selbst die simpelste Konversation nicht mehr gelingt. Und warum fühlt sich das hier wie etwas verbotenes an? Noah und ich haben seit einem halben Jahr nicht miteinander gesprochen. Ich darf das hier.
Und dennoch schaue ich mich ständig nervös um. Es ist vollkommen albern.
"Hey, fühlst du dich unwohl?"
Louis berührt meinen Arm bei dieser Frage. Seine Hände sind nicht tätowiert, aber ab dem Handgelenk ist er mit allerlei Bildern und Mustern geschmückt. Und mir gefällt das.
"Sorry," sage ich seufzend. "Ich klinge vermutlich wie ein Klischee, aber das ist mein erstes Date seit..." Ich überlege. "Eigentlich seit immer", schließe ich dann mit einem leisen lachen.
"Mein Freund, ähm Ex... Also er und ich, wir sind seit der Schule zusammen gewesen. Internat."
"Und es gab noch nie einen anderen?", schließt Louis daraus ganz richtig. Es klingt nicht vorwurfsvoll oder erstaunt, sondern ganz naheliegend.
Ich nicke.
"Kenn ich. Mein Ex und ich waren auch seit der 9ten zusammen, haben alles gemeinsam durch gemacht. Outing, erster Sex, zuhause ausziehen. Das ganze Programm eben."
"Was ist passiert?... Wenn es okay ist, dass ich das frage?"
Er lächelt, und ja, er sieht echt toll aus. Er ist sexy, klug, witzig...er ist nicht Noah. Aber dieser Punkt ist es, den ich lernen muss hinter mir zu lassen.
"Unterschiedliche Wege", sagt er achselzuckend. "Diese Zeit nach der Schule, das ist einfach schwierig. Ich glaube wir alle entdecken uns gerade, verändern uns. Und das merkst du dann eben nicht nur in einer Partnerschaft, sondern auch im Freundeskreis oder in der Familie."
Ich nicke stumm. Ja, das stimmt wohl. Und dennoch kann ich mich noch nicht gegen dieses Gefühl wehren, das ich eigentlich immer tief in mir gespürt habe. Die Überzeugung, dass Noah und ich diese Entwicklung dennoch gemeinsam erleben und durchleben würden. Dass dies nun nicht der Fall sein soll, das will mein Kopf noch nicht verstehen. Und mein Herz schon gar nicht.
<Denk nicht so viel> hatte Philipp noch als klugen Ratschlag für dieses Date auf Lager, und ich versage diesbezüglich offenbar auf ganzer Linie.
"Sollen wir eine Runde durch den Park spazieren?", fragt Louis, und fährt mit seinen Flingern kurz über meine Hand. Seine Haut ist warm und seine Berührung reizvoll. Und dennoch ist da irgendeine verdammte Blockade in mir, die mich richtig wütend macht. Noah konnte sich von anderen berühren lassen, selbst als wir noch ein Paar waren! Also greife ich kurzentschlossen nach Louis Hand und gehe dann zum ersten Mal mit einem anderen Mann Hand in Hand als mit Noah.

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