Ich bin erst gegen 7 Uhr am Montagmorgen aus dem Island gekommen. Das hat sich besonders eigenartig angefühlt, weil um mich herum überall Leute in Richtung Schule unterwegs waren. Wie kann es sein, dass ich doch selbst erst wenige Monate aus der Schule draußen bin, und trotzdem nur noch so wenig Verbindung zu diesem Leben fühle? Ich habe Glitzer im Gesicht und im Haar, meine Klamotten kleben an mir, und ich habe irgendwo meinen Schal verloren. Zugegeben, die letzten Stunden waren etwas chaotisch. Vielleicht waren wir alle ein bisschen überarbeitet und überfeiert, nach diesem dreitägigen Marathon. Ein wenig nagt ein eigenartig schlechtes Gewissen an mir, weil ich heute Abend in einer subtilen Flirtlaune war. Normalerweise bin ich eher jemand, der irgendwie Abstand hält, aber heute war ich auf körperlichen Kontakt aus. Ich habe eng getanzt, geflirtet, und habe mich nicht über üppiges Trinkgeld beschwert. Ich weiß nicht, woher dieses Verhalten kam. Ich war einfach angenervt, dass mein Überraschungsbesuch am Busbahnhof so jäh von Colin abgeblockt wurde. Er hat es mir erklärt, und ich habe es verstanden, aber trotzdem habe ich mich abgelehnt gefühlt. Ich habe in letzter Zeit immer öfter das Gefühl, mir selbst zu entgleiten, und irgendwie fühlt es sich an, als würde ich nirgends so richtig hingehören.
Luca ist mit seinem Studium an der Filmhochschule beschäftigt. Auch, wenn er anfangs davon ausging, wir könnten darin beide wohl unsere Erfüllung finden, habe ich diesen Weg einfach nicht gefühlt. Ich liebe Filme, aber ich will mir diese Leidenschaft auch nicht durch zu viel Interpretation und Theoriewissen kaputt machen. Es soll irgendwie eine Herzsache bleiben, kein Kopfding. Julia macht gerade ein Praktikum am Theater, und geht vollends auf zwischen Kostümen und Bühnenbild. Für Colin beginnt jetzt das Unileben. Und dann auch noch eines, das mich ständig an meinen Vater denken lässt. Ich musste mich vorhin schwer zurückhalten keinen blöden Spruch über Jurist*innen fallen zu lassen, als er mir von dem Vorfall im Bus erzählt hat.
Und ich? Ich hänge irgendwo dazwischen. Ich mag das Island. Aber es fühlt sich an wie ein Nebenjob. Die meisten Kolleg*innen studieren, und wollen sich so einfach ein paar Euros verdienen.
Keine Ahnung, ob ich neidisch bin, weil gefühlt alle einen Plan vom Leben zu haben scheinen, oder ob es mich einfach nervt, dass wir nicht erstmal die Freiheit nach der Schule richtig genießen können.Als ich zuhause ankomme höre ich im Bad das Wasser laufen. Colin steht unter der Dusche, und mir fällt in diesem Moment auf, wie wenig Alltag wir momentan wirklich geteilt bekommen. Auf dem Internat war unser Leben zu einem großen Teil parallel zu dem des anderen, aber in den letzten Wochen waren wir oft zu so unterschiedlichen Zeiten wach, dass wir nur zwischen Tür und Angel einen Kuss für den anderen übrig hatten.
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somewhere in between
RomanceSomewhere in between Das ist eine Fortsetzungsgeschichte zur Nolin Fanfiction "ein Stein ist hart zu brechen". Noah und Colin sind inzwischen fertig mit der Schule, und es beginnen die ersten Schritte in ein unabhängiges, erwachsenes Leben. Doch bei...