Kapitel 39: Noah

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Colin ist weg.
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Seine Klamotten sind aus unserem Kleiderschrank verschwunden. Seine Bücher, der Laptop, seine Utensilien im Bad. Alles weg. Ich schaue mich etwas ratlos um. Ich habe erwartet, dass er wütend ist, aber nicht, dass er nicht hier sein würde. Ich habe noch nie erlebt, dass Colin jemanden wirklich zurück lässt. Das ist eigentlich eher meine Paradedisziplin.
Ich sitze in der Küche, und drehe das benutzte Kaffeeglas von ihm in Händen. Gerade ist es das einzige, das mir das Gefühl gibt, dass er noch hier wäre.
Ich weiß nicht, was das bedeutet, und ich merke, wie schlecht ich mit dieser Ungewissheit umgehen kann.
Wie lange bleibt er weg? Wo ist er hin? Geht er morgen in die Uni? Soll ich einfach dort hingehen? Oder soll ich ihm den Abstand geben, den er braucht?
Diese Unklarheit bringt irgendwas in mir zum klingen, alte Erinnerungen aus Kindertagen, Bilder von mir, wie ich warte ob mich jemand pünktlich aus dem Kindergarten abholt, ob jemand noch gute Nacht sagen kommt oder ob ich wieder alleine einschlafen muss, ob vielleicht doch jemand zur Theateraufführung kommt in der ich den Hänsel spiele?
Ich tigere unruhig durch die Wohnung, weiß nicht wohin mit mir. Wieder rufe ich ihn an, aber inzwischen springt sofort die "nicht erreichbar" Aussage an. Jetzt ist er also nicht einmal mehr auf Empfang für mich. Ich gehe ins Schlafzimmer und verkrieche mich im Bett. Sein Geruch hängt noch in den Laken, und ich atme ihn so tief ein wie ich nur kann. Mir ist kalt, und mein Körper zittert. In meinem Rippenbogen breitet sich ein Druck aus gegen den ich anzuatmen versuche, aber vergebens. Mein Körper schüttelt sich, und dann plötzlich entfährt mir ein Laut, der so fremd klingt wie der eines verwundenen Tiers.

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