Kapitel 28: Colin

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"Frag das doch den zukünftigen Rechtsverdreher."
Ich weiß, dass er es nicht böse gemeint hat, aber Noahs Worte fühlen sich trotzdem blöd an.
Julia scheint es nicht zu bemerken, denn sie lehnt sich mir entgegen, und fragt: "Und? Was denkst du? Jugendstrafrecht verschärfen ja oder nein?"
Ich zucke erst mit den Schultern, weil ich gedanklich nicht ganz bei der Sache bin, sage dann aber : "Nicht verschärfen, denke ich. Aber ich habe mich da auch noch nicht tiefer mit beschäftigt."
Vor uns stehen noch die leeren Teller und zwei Bleche mit Resten unterschiedlicher Pizzen. Es ist schön, dass die beiden da sind. Es gibt mir das Gefühl, dass nicht plötzlich alles anders wird, sondern das manche Dinge eben trotzdem Bestand haben.
"Wie gefällt dir das Studium denn bisher?", fragt Luca.
"Gut. Ich fühl mich echt wohl. Die Leute sind nett, und ich finds überraschend spannend."
"Naja, bis auf die, die es witzig finden Schwuchtel zu sagen. Die sind nicht so nett", meint Noah dann, und Julia sieht mich erschrocken an.
Ich erzähle ihr kurz die Geschichte im Bus, obwohl ich da wirklich keine Luft drauf hatte.
"Aber diese Erfahrung bildet nicht meine Kommiliton*innen ab, glaub mir", sage ich zu Julia. "Ich fühle mich ansonsten wirklich wohl. Und die Uni selbst ist einfach auch toll. Mir gefällt das Leben dort, die Atmosphäre."
Noah atmet laut aus.
"Was?", fahre ich ihn strenger an als beabsichtigt, aber er nervt mich gerade wirklich.
"Nichts, alles gut."
"Klingt nicht so."
"Ich kann's nicht beurteilen..."
"Ja, das ist wohl wahr," sage ich bissig.
"Tzzzzz" zischt Noah mir da entgegen. "Jetzt kommen wir also endlich mal an den Punkt wo es spannend wird!"
Julia und Luca sehen uns beide an. Vermutlich, weil sie uns so nicht kennen. So unangenehm fies.
"Lass uns aufhören" sage ich da sanft. Ich will nicht, dass wir uns vor unseren Freunden streiten. Vielmehr will ich mich eigentlich gar nicht streiten, aber momentan ist das die Art, wie wir viel zu häufig miteinander umgehen.
Er sieht mich streng an, und ich merke, dass er eigentlich noch etwas sagen möchte.
"Ich muss jetzt dann eh langsam los. Ihr könnt euch ja überlegen, ob ihr noch nachkommt."
Noah umarmt Luca und Julia zum Abschied, und mir gibt er einen flüchtigen Kuss auf die Wange.
Die Stimmung, die danach in der Küche zurück bleibt, ist schmerzvoll für mich. Julia legt den Arm um mich und streicht mir sanft über den Rücken. Ich kann nichts daran ändern, aber ich spüre, wie meine Augen sich mit Tränen füllen. Ob aus Traurigkeit oder Wut kann ich gar nicht sagen. Vielleicht ja beides.
"Hey, was ist los mit euch zwei? Ich weiß es ist gerade schwierig, aber seit wann seid ihr so miteinander?"
Ich schüttle nur den Kopf. Ich kann diese Frage doch selbst nicht beantworten.

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