Eine Audienz bei Hades mit tödlichem Ausgang

74 2 2
                                    


Ayumi stellte sich neben Hades Thron und beobachtete, was nun geschehen würde. Gut, sie hatte nicht erwartet, dass Hades sie direkt vor den anderen aufliegen lassen würde. Aber vielleicht war es besser so. Es gab schließlich nur drei magische Perlen. Woher Poseidon von ihrer Rolle wusste, war eine interessantere Frage. Das spielte im Moment zwar keine Rolle, doch Ayumi vermutete, dass Ares etwas damit zu tun haben könnte. Er hatte ja diese merkwürdige Andeutung gemacht. Sie beschloss, sich darum später zu kümmern und erst mal nur das Geschehen zu beobachten. (Darin hatte sie ja eine Menge Erfahrung.)
Hades Aufmerksamkeit richtete sich nun auf Percy.

„Es ist wirklich mutig von dir herzukommen, Sohn des Poseidon", sagte er mit salbungsvoller Stimme „Nach allem, was du mir angetan hast, ist das sogar sehr, sehr tapfer. Aber vielleicht bist du ja auch nur sehr töricht."
Percy's Glieder fühlten sich taub an, dennoch trat er mutig vor. „Mein Herr und Onkel, ich komme mit zwei Bitten."
Hades hob (so ganz cool) eine Augenbraue und beugte sich auf seinem Thron ein Stück nach vorne. In den Falten seiner Kleidung tauchten schattenhafte Gesichter auf. Irritiert starrte Percy die gequälten Gesichter.

„Nur zwei Bitten?", fragte Hades und riss Percy damit aus seiner Trance. „Arrogantes Kind. Als ob du nicht nicht schon genug genommen hättest. Aber sprich nur. Es amüsiert mich, dich nicht sofort totzuschlagen."
Ayumi verkniff sich ein Kichern. Der Einzige, der gerade arrogant klang, war Hades.

Percy schluckte. Das lief ja besser als erwartet. Er war noch nicht tot. Sein Blick wanderte zu dem leeren, kleineren Thron neben dem des Hades. Er war geformt wie eine schwarze Blume und mit Gold überzogen. Er gehörte Persephone, der Gattin des Hades, die, da Sommer war, nicht da war.
„Hoher Herr Hades", sagte Percy. „Seht mal, Sir, unter den Göttern darf es keinen Krieg geben. Das wäre...nicht gut."
„Überhaupt nicht gut", fügte Grover hilfsbereit hinzu.

„Gebt mir den Herrscherblitz des Zeus zurück",sagte Percy eindringlich. „Bitte, Sir. Lasst ihn mich zum Olymp bringen."
Hades' Augen wurden gefährlich hell. „Du wagst es, diese Lüge aufrechtzuerhalten, nach allem, was du
getan hast?"
Verwirrt schaute Percy zu seinen Freunden, auch sie verstanden nicht ganz, was der Herr der Unterwelt meinte. Im Schatten des Thrones unterdessen, schmunzelte Ayumi vor sich hin. Alles lief nach Plan.

„Äh, Herr Onkel", sagte Percy. „Ihr redet immer wieder von dem, ‚was ich getan habe'. Aber was habe ich denn eigentlich getan?"
Der Thronsaal bebte dermaßen, dass es vermutlich noch oben in Los Angeles zu spüren war. Splitter fielen von der Höhlendecke. Überall an den Wänden sprangen Türen auf und Kriegerskelette marschierten herein, Hunderte von ihnen, aus allen Zeiten und Nationen der abendländischen Zivilisation. Sie stellten sich an den Wänden des Saales auf und versperrten die Ausgänge.

Hades brüllte: „Glaubst du vielleicht, ich will einen Krieg, Göttersohn?"
Percy wollte gerade etwas erwidern, ließ es dann aber. Seine Bemerkung würde sicher nicht auf fruchtbaren Boden fallen.
(Und dabei war Hades doch mit der Tochter Demeters zusammen.)

„Ihr seid der Herr des Todes", meinte Percy vorsichtig. „Ein Krieg würde Euer Königreich doch vergrößern, nicht wahr?"
Hades schnaubte. „Typisch für meine Brüder, so was zu sagen. Meinst du vielleicht, ich brauche noch mehr Untertanen? Hast du das Gewühl draußen im Asphodeliengrund gesehen?"
„Naja..."

„Hast du überhaupt eine Vorstellung davon, wie sehr mein Königreich allein im vergangenen Jahrhundert gewachsen ist, wie viele Unterabteilungen ich eröffnen musste?"
Percy wollte etwas erwidern, doch Hades hatte sich jetzt in Rege geredet. Ayumi beobachte amüsiert ihren Bruder, der vergessen hatte seinen Mund zu zuklappen und Hades nun mit offenem anstarrte. In diesem Moment sah man ihm seine Verwandtschaft zu den Fischen deutlich an.

„Noch mehr Wachmonster", stöhnte Hades genervt. „Verkehrsprobleme am Gerichtspavillon. Doppelte Überstunden für die Angestellten. Früher einmal war ich ein reicher Gott, Percy Jackson. Ich kontrolliere alles Edelmetall unter der Erdoberfläche. Aber was das kostet!"
Percy fiel etwas ein. „Charon wünscht eine Lohnerhöhung", rutschte es ihm heraus.
„Komm mir hier bloß nicht mit Charon", schrie Hades. „Der ist einfach unmöglich, seid er italienische Anzüge entdeckt hat. Nichts als Probleme und um alles muss ich mich selber kümmern. Allein die Zeit, die ich brauche, um vom Palast zu den Toren zu kommen, treibt mich in den Wahnsinn. Und es kommen einfach immer neue Tote. Nein, Götterspross. Ich brauche wahrlich keine neuen Untertanen. Ich habe nicht um diesen Krieg gebeten."

Ayumi Jackson - Die Schwester von Percy JacksonWo Geschichten leben. Entdecke jetzt