KAPITEL 16

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ARLA

Am Dienstagnachmittag sitze ich mit Naira in einem Café an der Promenade und schütte ihr mein Herz aus. Sie hält meine Hand, während ich mir die Tränen abwische. Der sanfte Ausdruck in ihren Augen dringt geradewegs in mein Herz, sodass ich mich ein klein wenig besser fühle, nur, weil sie bei mir ist. Naira hat ein Talent dafür, still zu sein und doch so viel zu sagen. Fast wie Mercúrio. Meine Güte, die zwei wären ein Traumpaar. Allerdings müssen sie beide einige Probleme bewältigen und verarbeiten, bevor sie gemeinsam heilen können.

»Hast du es denn wirklich so bereut?«, fragt sie sanft und streichelt mit dem Daumen über meinen Handrücken. »Manchmal fühlt man sich zwar schlecht, doch die Reue bleibt aus, verstehst du? Manchmal ist es besser, wenn wir den Schmerz zulassen, uns eine Weile darin suhlen und schließlich gestärkt daraus hervorgehen. Vielleicht ist es bei dir genauso gewesen?«

Schniefend sehe ich sie an, woraufhin ich wieder das typische Naira-Lächeln sehe. »Ich bereue es. Zu hundert Prozent. Gott, ich darf mich auf den Kerl einfach nicht mehr einlassen«, schnaufe ich. Nebensächlich nippe ich an meinem Kaffee. Naira stützt das Kinn auf ihre Hand und legt den Kopf schief.

»Warum tust du es dann immer wieder? Dafür muss es doch einen Grund geben, oder?«, forscht sie. Ich fühle mich, als würde sie in meinem Herzen herumwühlen und meine Eingeweide durch stochern. Auf der Suche nach dem großen Knacks in meiner Psyche, wegen dem ich mich ständig auf Kerle wie Plutão einlasse. Lua meint zwar, dass er in mich verknallt ist, aber ich denke, er ist einfach ein toxischer Mensch und hat ein Talent dafür, die richtigen Knöpfe bei mir zu drücken.

»Wenn ich das wüsste, dann würde es nicht andauernd wieder passieren, denkst du nicht?« Naira lacht leise.

»Nein, ich denke, gerade dann würde es passieren«, antwortet sie schulterzuckend. Grimmig starre ich in meinen Kaffee. »Wenn wir einmal mit einem Muster angefangen haben, ist es schwer, davon wieder wegzukommen.«

»Du solltest echt Psychologie studieren und nicht Kunstgeschichte«, murre ich. Wieder erklingt ihr Lachen, das ich in der letzten Zeit wirklich selten zuhören bekommen habe. Es ist schön, sie wieder lachen zu hören.

»Dafür bin ich nicht stabil genug, glaub mir. Ich könnte nicht damit umgehen, wenn ich nur mit Menschen zu tun hätte, denen es schlecht geht und die leiden. Nein. Psychologie ist nichts für mich«, erwidert sie kopfschüttelnd.

»Ich habe Angst, Naira«, flüstere ich. Allein, es auszusprechen, bereitet mir Bauchschmerzen.

»Wovor?« Die Frage ist so einfach, dass die Antwort dennoch unfassbar schwer auf meinem Herzen lastet. Allerdings muss ich es loswerden. In letzter Zeit habe ich nicht das Gefühl, über solche Themen mit Lua sprechen zu können. Sie hat mit sich zu tun und mit ihrer Entscheidung, den Studiengang zu wechseln.

»Davor allein zu sein.« Naira sieht mich mitleidig an, ehe sie wieder fester meine Hand drückt.

»Du bist nicht allein, Arla. Du hast uns. Deine Freunde und du hast deine Familie. Eine Familie, die dich liebt und dich niemals zurücklassen würde«, versucht sie mich aufzumuntern. Naira hat meine Eltern letztes Jahr bei einer unserer legendären Familienfeiern kennengelernt und direkt einen Platz in ihrem Herzen für sie freigemacht.

»Nicht vor diesem Allein-sein. Ich habe Angst davor, dass ich für immer allein bin, verstehst du? Es ist nicht mein Ziel, irgendwann in ferner Zukunft, die coole Tante von all euren Kindern zu sein, die ihnen Tipps zum Flirten oder für die besten Partys gibt. Ich will nicht auf jeder Hochzeit ohne Begleiter auftauchen und irgendwann mit fünfzehn Katzen und zwölf Hunden in einem Strandhaus versauern.«

HATE ME HARDERWo Geschichten leben. Entdecke jetzt