KAPITEL 18

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ARLA

Am Himmel flimmern die Sterne, während Naira und ich uns auf den Weg zu ihrem Wohnheim machen. Bis heute will mir nicht in den Kopf, wie sie es überhaupt schafft, nachts allein über den Campus zu gehen, geschweige denn zu wohnen. Sie hat Mist für fünf Personen durchlebt. Andere würden daran zerbrechen. Naira nicht. Sie ist stärker als jede Naturgewalt.

Meine Freundin pfeift ein Lied vor sich hin, unterdessen wickle ich mich in das Strandtuch. Mir ist eiskalt, obwohl die Temperaturen derzeit angenehm warm sind. Das Baden im Meer hat meine Körpertemperatur heruntergekühlt. Auch mein Inneres fühlt sich eisig an.

»Möchtest du noch auf einen Tee mit hereinkommen?« Naira sieht mich prüfend an, sodass ich kaum eine andere Wahl habe. Irgendwo in der Nähe der Kunstfakultät tönt ein belustigter Schrei durch die Nacht. Einzelne Grillen zirpen und unsere Schritte auf dem Kies knirschen. Mir ist das Universitätsgelände bei Nacht unheimlich. Trotzdem straffe ich die Schultern und schüttle den Kopf.

»Ich muss allmählich nach Hause. Die Hausarbeit schreibt sich schließlich nicht von allein«, rede ich mich raus. Obwohl ich mir sicher bin, Naira würde es verstehen, wenn ich ihr sage, dass unser Gespräch vom Nachmittag mir noch in den Knochen steckt, erfinde ich eine dämliche Ausrede. Falls sie mich durchschaut, lässt sie es sich nicht anmerken. Sanft nickt sie, ehe sie meinen Oberarm drückt.

»Nimm das Tuch ruhig mit. Es scheint, als könntest du es gebrauchen«, zwinkert sie mir zu. Anschließend drückt sie mir einen Kuss auf die Wange und verschwindet im Wohnheim. Die Lichter im Treppenhaus gehen an und ich wende mich ab. Langsam trete ich den Rückweg an, lasse die Wohnheime hinter mir und bewege mich zwischen den Lichtkegeln der Straßenlaternen entlang.

Vereinzelt sitzen Grüppchen auf den Wiesen, sogar einige meiner Kommilitonen entdecke ich. Doch heute ist mir nicht nach Gesellschaft. Es mag nicht stimmen, dass ich an der Hausarbeit arbeiten muss – weil ich sie bereits fertig geschrieben habe -, trotzdem sollte ich nach Hause gehen. Ich brauche Ruhe und vielleicht wirklich einen Tee. Vermutlich werde ich mich mit einem der Kursbücher unter meiner Bettdecke vergraben und solange lernen, bis mir vor Müdigkeit die Augen zufallen.

»Cordeirinho?« Hurricane taucht direkt vor mir auf dem Kiesweg auf. Zunächst will ich die Augen verdrehen, doch eine leise schwache Stimme in meinem Inneren, flüstert mir mahnend zu, dass es da diesen Moment zwischen uns gegeben hat. Diesen Moment, als er mich in den Arm nahm und gewartet hat, bis ich aufhörte zu weinen. Dieser Moment, als er mich nach Hause gebracht hat und so völlig anders war, als ich gedacht hätte.

»Hallo Hurricane«, antworte ich deshalb. Er sieht erschöpft aus. Um seine Augen liegen dunkle Schatten und das allseits bekannte Lächeln ist nicht auffindbar. Mit gerunzelter Stirn und schief gelegtem Kopf sieht er mich an. Prüfend, forschend, wissbegierig. Fast wie ein Forschungsobjekt. Bin ich das für jeden Kerl? Ein Objekt? Vermutlich. Weil ich mich schließlich selbst dazu mache. Ich reduziere mich auf meine Reize, wenn es um Männer geht. Freiwillig.

»Ist alles in Ordnung?« Seine Frage erstaunt mich, denn ich habe mit einem dummen Spruch gerechnet. Schließlich sehe ich fürchterlich aus. Meine Schminke ist durch das Meerwasser völlig verschwunden, meine Haare eine feuchte Katastrophe und vermutlich leuchten meine Augen ziemlich rot vom Weinen und dem Alkohol.

»Natürlich. Weshalb sollte nicht alles in Ordnung sein? Mir geht es gut. Ich bin auf dem Weg nach Hause«, rattere ich herunter. Schützend wickle ich das Strandtuch dichter um meinen Oberkörper. Hurricane quittiert diese Geste mit einer zuckenden Augenbraue. Noch immer stecken seine Hände in den Taschen seiner lockeren Sporthose, deren Enden um seine hübschen Knie schwingen. Hübsche Knie? Deus, Arla.

HATE ME HARDERWo Geschichten leben. Entdecke jetzt