HURRICANE
Beim Abendessen sieht Arabella bedrückt aus. Mir gefällt der Ausdruck in ihren Augen nicht und auch unseren Eltern entgeht ihr Missmut nicht. Mamãe schaut fragend in meine Richtung, unterdessen zucke ich immer wieder die Schultern und stochere in dem gebackenen Fenchel herum. Bereits heute Nachmittag habe ich sie gefragt, ob etwas nicht stimmt. Doch Arabella hat ein Talent dafür auszuweichen. Nach dem vierten Versuch habe ich aufgegeben. Meine Schwester ist stur wie ein Maultier.
»Arabella?« Pai legt seine Gabel nieder und faltet die Hände auf dem Tisch. Meine Schwester hebt den Blick von ihrem Teller. In ihren Augen schwimmt wieder dieser merkwürdig traurige Anblick, bei dem ich jedes Mal eine Gänsehaut bekomme. Die grau melierten Haare unseres Vaters fallen ihm in die Stirn. Mamãe schenkt mir Wasser nach, wobei ich das Zittern ihrer Hände bemerke. »Was ist los, mein Engel?«, fragt Pai und legt den Kopf schief. Arabella stößt ein Seufzen aus und schiebt die Süßkartoffel lustlos über ihren Teller. Angespannt hole ich Luft, lasse sie tief in meine Lungen strömen und zwinge das Gemüse in meinen Mund. In meinem Magen rumort es bereits, weil ich nach dem gestrigen Abend kaum gegessen habe. Hendrix hat mich zu einem bescheuerten Trinkspiel überredet, weswegen ich den restlichen Abend lallend und singend mit ihm gemeinsam durch die Stadt getaumelt bin. Die Erinnerung an eine Tanzeinlage auf einem Tisch von meinem besten Freund ist verschwommen.
Mir ist noch leicht flau, allerdings wird es allmählich besser. Vom Alkohol ist ohnehin nichts mehr übrig, weil ich den Großteil noch heute Nacht im Klo heruntergespült habe. Ich trinke nicht gerne, dennoch wird es hin und wieder notwendig.
»Nichts, pai. Mir geht es gut«, antwortet Arabella. Ungläubig hebe ich die Brauen, blicke jedoch weiterhin auf meinen Teller.
»Dir geht es nicht gut, Engel«, mischt mamãe sich ebenfalls ein. Angestrengt halt ich den Kopf gesenkt, weil ich jetzt einen flehenden Blick meiner Schwester nicht aushalten würde. Ich bin müde, erschöpft und verkatert. Ich habe im Augenblick keine Kraft hilfreich zu sein. Nicht einmal für Arabella, obwohl ich ihr die Welt zu Füßen legen würde.
»Wenn ihr doch seht, dass ich mich nicht wohlfühle, dann fragt doch nicht«, zickt sie und schmeißt die Gabel wutentbrannt auf den Tisch. Das Geräusch klingelt in meinen Ohren. Pai sieht Arabella verwundert nach, während sie aufsteht und stampfend das Zimmer verlässt. Ihre Zimmertür knallt lautstark ins Schloss. Mamãe gibt ein Seufzen von sich und nippt an ihrem Wein.
»Was hat deine Schwester, Hurricane?«, wendet sie sich an mich. Kauend hebe ich den Kopf, begegnet den besorgt schimmernden Augen meiner Mutter. Angespannt ziehe ich die Nase hoch, bevor ich die Schultern zucke. Ich würde ihr gerne eine bessere Antwort bieten.
»Sie hat mir nichts gesagt. Ich weiß es nicht, mamãe. Wirklich«, antworte ich ehrlich. Pai runzelt die Stirn und nimmt seine Gabel wieder auf.
»Hast du eine Idee, was sie bedrücken könnte?« Natürlich weiß unser Vater genau, wie er wunde Punkte findet. Nicht umsonst ist er Professor für Psychologie und dermaßen erfolgreich in seinem Beruf.
»Nicht direkt, não. Allerdings könnte es an der Entscheidung liegen, die sie getroffen hat. Aber davon sollte sie euch selbst erzählen«, gebe ich zittrig zurück. Meine Stimme zittert, weil meinem Körper die Kraft fehlt und die Übelkeit wieder in meinen Rachen steigt. Das blubbernde Gefühl im Magen ist widerwärtig.
»Entscheidung? Welche Entscheidung?«, fragt mamãe besorgt. Auf ihrer Stirn sind tiefe Sorgenfalten entstanden. Die Geheimhaltung tut mir leid, trotzdem schüttle ich den Kopf und senke den Blick wieder auf meinen Teller.
»Hurricane, bitte. Sag uns, was mit Arabella los ist«, fordert mamãe.
»Wenn Arabella ihn darum gebeten hat, darüber selbst mit uns sprechen zu können, sollten wir das respektieren, Paulita«, mischt Dad sich ein und gibt sein Talent für Verständnis wieder zum Besten. Ich presse die Lippen aufeinander und lächle verkniffen.

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HATE ME HARDER
RomanceCOLLEGE-ROMANCE Als die Biologiestudentin Arla Oliveira in einer wilden Partynacht von ihrem Knutschpartner plötzlich mit seinem Drink überschüttet wird, hätte sie mit allem gerechnet. Nur nicht damit, dass ausgerechnet der Uni-Schwarm und Womanize...