KAPITEL 53

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ARLA

Im Vorlesungssaal herrscht völliges Durcheinander. Unzählige Kommilitonen unterhalten sich flüsternd über das Banner, worüber ich nur müde lächeln kann. Die letzten Tage hatte ich durchgehen einen Klumpen im Bauch, weil ich mir nicht sicher war, ob es eine gute Idee ist. Jetzt bin ich mir sicher. Hurricane ist mir nicht böse. Er ist allerhöchstens zerstreut und ich habe die Hoffnung, dass er in kurzer Zeit Dankbarkeit empfinden wird. Mein Herz rumpelt in meiner Brust, sodass mir das Sprechen schwerfällt.

Mir ist absolut bewusst, dass ich einen waghalsigen Schritt gegangen bin. Abgesehen von der Reaktion des Dekans auf Plutãos Taten, habe ich unfassbare Angst vor dem Sturm, der über mir aufzieht. Ich habe seinen Blick vor dem Hauptgebäude deutlich gespürt. Er wird mich noch spüren lassen, was ich angerichtet habe, denn er weiß genau, dass ich dahinter stecke.

Schluckend sammle ich meine Unterlagen zusammen, bevor der Professor den Kurs beendet. Heute kann sich kaum jemand auf den Unterricht konzentrieren, weshalb er mit einem müden Seufzen mit den Händen wedelt und den Beamer ausschaltet.

In Windeseile leert sich der Hörsaal. Ich bleibe allein zurück und starre für einen Augenblick auf die leeren Sitzreihen. Die Ruhe macht mich unruhig, weil ich die Befürchtung habe, jede Sekunde Plutãos gegenüberzustehen. Natürlich ist es vollkommen unwahrscheinlich, denn er wurde vom Campus verwiesen und von der Polizei abgeholt. Dennoch verschwindet der Kloß nicht aus meiner Kehle.

Seufzend schließe ich meine Tasche, werfe mir den Riemen über die Schulter und verlasse den Hörsaal. Es hat keinen Sinn, mich vor der Außenwelt zu verstecken. Außerdem bezweifle ich, dass irgendjemand mich mit dem Banner in Verbindung bringt, der nicht bei der Planung dabei gewesen ist. Mich hat es erschreckt, wie viele Mädchen auf Nairas Nachricht reagiert und sich angeschlossen haben.

Allmählich kann ich mit Sicherheit sagen, dass Lua einen verflucht guten Spürsinn in Bezug auf grässliche Kerle hat. Ich hätte viel früher auf meine beste Freundin hören müssen.

Die Gänge der Fakultät sind überwiegend leer, weil die meisten Studenten schon verschwunden sind. Ich schleiche mit schleppenden Schritten durch den Flur in Richtung Eingangstür. Die Sonne strahlt durch die Baumwipfel und wirft wunderschöne Schattierungen auf die Kieswege vom Campus. Ich liebe die Universität, weil ich hier einige der schönsten Erinnerungen gesammelt habe. Jetzt gibt es zusätzlich noch Hurricane.

Es mag verrückt klingen, allerdings kann ich mir kein Leben ohne ihn mehr vorstellen. Ich bin noch nicht einmal einundzwanzig und male mir ein Leben mit einem Mann aus, den ich vor wenigen Wochen nicht ausstehen konnte.

Auf meinen Lippen entsteht ein Lächeln, während ich aus der großen Doppeltür trete, und es wird noch breiter, als ich Hurricane auf der Bank gegenüber entdecke.

Sein Rucksack liegt zwischen seinen Füßen auf dem Kies. Mit den Schuhspitzen schiebt er die Steinchen umher und starrt auf seine ineinander verschränkten Hände hinab. Mein Stirnrunzeln vertreibt das Lächeln, unterdessen hebt Hurricane den Blick. In seinen Augen schimmert Besorgnis. Umgehend überfällt das Gefühl meinen Körper. Meine Beine zittern grauenhaft, trotzdem gehe ich langsam auf ihn zu und mustere ihn mit schief gelegtem Kopf.

»Hey«, nuschle ich verunsichert.

»Hat dich jemand vergewaltigt?« Die Frage schießt über seine Lippen und ich blinzle perplex. Hurricane schluckt hart und ich öffne vollkommen sprachlos den Mund. Mir fällt einfach keine Erwiderung ein, deshalb sehe ich diesen hübschen Kerl einfach nur stumm an. »Thaís hat mit mir gesprochen. In meinem Kopf flackern gerade tausend Synapsen und sind kurz davor, durchzubrennen. Sie hat mir von Naira erzählt. Also nicht wirklich erzählt, sondern ehe etwas erwähnt. Und dann habe ich nachgedacht. Ziemlich viel. Mercúrio beschützt Naira und ... und dich auch. Hast du ... Ist dir was passiert, Arla?« Mit jedem Wort wird seine Stimme schriller und ich weiß genau, dass es absolut nicht gut ist, jetzt sprachlos zu sein. Hurricane ist besorgt. Meinetwegen. Blinzelnd sehe ich ihn an, verarbeite seine Worte und bete darum, dass mir endlich einfällt, was ich sagen könnte.

HATE ME HARDERWo Geschichten leben. Entdecke jetzt