HATE ME HARDER

KAPITEL 37

HURRICANE

Kaum spreche ich die zwei Worte aus, fühlt sich mein Herz leichter an. Mehr muss ich scheinbar nicht sagen, denn von Arla erklingt ein zustimmendes Brummen. Ein sanfter Ton, der direkte Wärme in meinem Körper auslöst. Ihr Atem dringt ruhig an mein Ohr. Zwar spüre ich keinen Lufthauch, trotzdem löst das Geräusch eine Gänsehaut bei mir aus. Angespannt schlucke ich den Kloß in meiner Kehle herunter, weil sie immer noch nichts gesagt hat. Habe ich es jetzt endgültig übertrieben? Immerhin flirte ich hemmungslos. Während es sich für mich, absolut richtig anfühlt, könnte es für Arla völlig übertrieben sein.

Sie schweigt weiterhin. Ich vernehme das Rascheln von Stoff und Blättern. Will sie mir jetzt wirklich ihren Essay vorlesen? Deus, wieso habe ich überhaupt darum gebeten? Ich möchte über andere Themen mit ihr sprechen. Über ihre Lieblingsfarben, ihren liebsten Geruch, wohin sie geht, wenn sie sich unwohl fühlt. Ich möchte über ihre Familie sprechen. Darüber, wie die Beziehung zu ihren Eltern und Cousins ist. Weshalb ihre Eltern nach ihr keine Kinder mehr bekommen haben.

Ich möchte alles wissen und alles erfahren, trotzdem bleiben meine Lippen versiegelt, als hätte ich sie mit Sekundenkleber verunstaltet. Wieder räuspere ich mich möglichst leise, gleichzeitig atmet Arla tief durch.

»Wenn ich dir meine Arbeit vorlesen, musst du mir etwas versprechen. In Ordnung?«, erklingt ihre Stimme leise. Arla flüstert direkt in mein Ohr, wodurch eine konstante Gänsehaut auf meinem gesamten Körper erscheint.

»Welches Versprechen willst du mir abnehmen?«, frage ich. Mein Tonfall schmiegt sich an ihren. Leise, warm, ein wenig aufgeregt und beinahe hauchend.

»Du musst mir deine ehrliche Meinung sagen und du darfst nicht lachen«, fordert sie.

»Das sind zwei Versprechen«, korrigiere ich ihre Forderung.

»Hurricane«, sagt sie bittend.

»Versprochen, cordeirinho. Ich werde nicht lachen und ehrlich sein«, wiederhole ich. Mit all meiner Anstrengung unterdrücke ich das Zittern meiner Stimme. Es schleicht sich jedes Mal ein, wenn sie meinen Namen sagt. Ach Quatsch. Jedes Mal, wenn sie überhaupt mit mir spricht.

Sie beginnt vorzulesen. Ich verstehe den Großteil nicht, weil es sich um ihren Fachbereich handelt, trotzdem denke ich, es ist ein verdammt guter Essay. Hin und wieder scheint sie einen Satz zu korrigieren oder umzuformulieren. Danach klingt er noch perfekter. Würde Arla sich auch meine Aufgaben anhören, selbst wenn sie nichts versteht? Mein Blick fällt auf eines der Bücher auf meinem chaotischen Schreibtisch. Kopfschüttelnd lenke ich meine Aufmerksamkeit zurück auf ihre Stimme. Als sie endet, schnauft sie.

»Und, was denkst du?«, fragt sie nach einem Moment der Stille.

»Ich denke, dass ich absolut nichts verstanden habe, aber das liegt vermutlich daran, weil ich nicht Biologie studiere. Für eine Person, die davon Ahnung hat, ist der Essay bestimmt perfekt formuliert und hinreichend ausführlich«, murmle ich nachdenklich. »Du kannst sowas wirklich gut.« Mein Kompliment sorgt für ein leises Lachen.

»Danke«, nuschelt sie. Deutlicher könnte ihre Verunsicherung nicht sein.

»Bist du denn zufrieden?«, frage ich vorsichtig.

»Ja«, gibt sie nachdenklich zurück.

»Sicher? Du hörst dich nicht zufrieden an.« Arla seufzt, dann folgt wieder das Rascheln von Blättern. Im nächsten Moment baut sich in meinem Kopf ein Anblick von Arla zusammen, den ich in diesem Moment nicht gebrauchen kann. Die Haare zu einem hohen Zopf zusammengenommen. Einige Strähnen in der Stirn hängend, sitzt sie auf ihrem Bett und brühtet über ihren Unterlagen. Einen Stift zwischen die Zähne geklemmt und mittlerweile in eine hübsche Seidenshort und ein Spitzentop gekleidet. Mein Körper wird kochend heiß, sodass ich angespannt die Luft entweichen lasse. Ich will nicht, dass Arla merkt, was in meinem Kopf herumgeistert. Es wäre an Peinlichkeit kaum zu überbieten. Schluckend richte ich mich etwas auf, um keinen Mist zu bauen.