KAPITEL 27

316 37 79
                                        

ARLA

Zwei Minuten brauche ich, um einen Anfang zu finden. In dieser Zeit sieht Hurricane mich unentwegt an, die Brauen nachdenklich zusammengezogen, den Kopf geneigt. Die Sonne strahlt sein Profil an, sodass ein hinreißender Effekt in seinen Augen und auf seiner Haut entsteht. Mir gefällt es, dass er nicht perfekt rasiert ist. Das zeigt, dass er eben auch nur ein junger Kerl ist und kein perfekt geschliffener Diamant. Vielleicht irre ich mich tatsächlich in ihm.

Meine Gedanken gleiten zu dem ersten Tag an der Uni und ich versinke in der Erinnerung, während ich zu sprechen beginne.

Es ist früh, viel zu früh, um schon auf dem Campus zu sein. Lua geht mit einem fetten Grinsen auf meiner rechten Seite und hat sich bei mir untergehakt. Meine Haare sind eine geglättete Masse, die ich zu einem Zopf gebunden habe. Um vier Uhr heute früh habe ich im Hotelzimmer angefangen, sie zu glätten. Jetzt bereue ich meine Entscheidung. Es ist heiß, schwül und windig. Ich hätte darauf verzichten sollen, aber die Aufregung hatte mich fest im Griff. Irgendwie musste ich mich ablenken. Lua hat tief und fest geschlafen, weil wir den gestrigen Abend auf einer Party der Studenten verbracht haben. Heute sind wir, nach dem Papierkram und den Begrüßungen der Erstsemester, endlich auch ein Teil von ihnen. Vor drei Tagen sind wir angekommen und hatten die Hoffnung bereits in unser Wohnheim ziehen zu dürfen. Diese Hoffnung hat sich allerdings aufgelöst, als die Sekretärin uns ohne genauere Erklärung wieder weggeschickt hat. Deshalb haben wir die Tage in einem Hotel verbracht und die Gegend erkundet. Zwar sind wir nicht weit von hier aufgewachsen und waren auch schon öfter mit meiner Familie am Strand, trotzdem wollten wir alles als Studentinnen kennenlernen.

»Sieht dir den an«, flüstert Lua mir zu, als wir an einer Gruppe Jungs vorbeigehen. Wir sind auf dem Weg in die Aula, aber Lua hat nur Augen für die Kerle. Natürlich bin ich keiner Ablenkung abgeneigt, doch ich bin viel zu nervös, um mich genau jetzt auf Männerjagd zu begeben.

»Hmm«, mache ich deshalb nur. Lua zupft an meinem Shirt und deutet auf eine der Wiesen zwischen den Lehrgebäuden. Die wunderschön angelegten Grünflächen ziehen sich über das gesamte Gelände.

Ich folge ihrem Finger und sehe einige Mädchen, die sich um drei Jungs scharren. Sie tragen lockere Sportklamotten und einer von ihnen hat einen Basketball in seine Armbeuge geklemmt, während die Mädchen aussehen, als kämen sie von einer Party. Einer der Jungs wirft den Kopf lachend in den Nacken, bevor er ihn schüttelt. Lua quietscht neben mir.

»Der ist lecker«, flüstert sie. Ich runzle die Stirn über meine beste Freundin. Der Kerl trägt ein enges Muskelshirt, dazu lockere Sporthosen und eine Baseballkappe. Die Kappe sitzt verkehrt herum auf seinem Kopf und einige dunkle Locken kräuseln sich unter dem Rand hervor. »Und guck mal sein Kumpel. Yummy.«

»Du bist unmöglich«, lache ich und versuche sie weiterzuziehen. Allerdings findet Lua den Plan nicht sonderlich gut. Kopfschüttelnd zieht sie mich auf die Wiese und steuert auf die Gruppe zu. »Was hast du vor?«, zische ich. Ich will meinen Arm aus ihrem Griff winden, doch sie ist stärker.

»Wir knüpfen jetzt die ersten Campus-Kontakte, Arla«, antwortet sie. Wir nähern uns der Gruppe in dem Moment, als die Mädchen abdrehen und in einem der Gebäude verschwinden. Lua wirft ihre Haare über die Schulter, richtet sich kerzengerade auf und pflastert ein Lächeln auf ihre Lippen. Meine beste Freundin sieht hinreißend aus, weil sie jeden Trick in puncto Make-up beherrscht und perfekt umsetzen kann. Lua hat ein Talent, sich zu inszenieren.

Missmutig kneife ich die Augen zusammen. Ich lerne gerne neue Leute kennen, wenn ich nicht gerade nervös vor meinem ersten Tag als Studentin bin. »Olá«, rufe Lua den drei Männern zu. Der Kerl mit der Baseballkappe dreht seinen Kopf über die Schulter. Sofort gleiten seine Augen abschätzig über uns hinweg. Der Riese neben ihm verschränkt grinsend die Arme, während der andere Typ fürchterlich abgekämpft und müde aussieht. »Wisst ihr zufällig, wie wir zur Aula kommen?« Ich würde Lua wirklich gerne in die Seite boxen, unterdrücke den Reflex jedoch rechtzeitig.

HATE ME HARDERWo Geschichten leben. Entdecke jetzt