HATE ME HARDER

KAPITEL 30

HURRICANE

Panik flutet mich, weil Arla ganze zwanzig Sekunden keinen Ton von sich gibt. Ihre warmen Augen ruhen auf meinem Gesicht. Gleiten über es hinweg, als würde sie mich nicht richtig wahrnehmen. Meine Hände sind durch ihr Schweigen schwitzig. Die Nervosität hat mich vollends im Griff. Mehrfach schlucke ich. In meinem Kopf flackern in Dauerschleife die Erinnerungen an unseren Kuss. Vielleicht wird es niemals wieder dazu kommen, weil Arla die ganze Sache vollkommen anders sieht. Weswegen ich vermutlich auch versuche, jedes Detail in mein Hirn zu brennen.

»Wie genau stellst du dir denn die Phase vor, in der wir uns dann befinden würden?« Ihre Gegenfragen erstaunen mich. Ich habe nicht angenommen, dass sie überhaupt auch nur eine Sekunde darüber nachdenken würde, weil ich nun einmal bin, wer ich bin. Mit meiner Vermutung lag ich offensichtlich völlig daneben.

»Was meinst du?«, frage ich dümmlich.

»Du sprichst von einer Art Kennlernphase, oder? Was stellst du dir explizit darunter vor? Haben wir Dates? Gehen wir nur zu zweit aus oder auch mit Freunden? Erzählen wir es irgendjemandem oder geht alles seinen Weg? Ab wann würden wir es irgendwem erzählen? Du hast von einem Etikett gesprochen, aber welche Art von Etikett?« Merda, sie zieht es tatsächlich in Erwägung.

»Die Rahmenbedingungen und Parameter müssen wir vermutlich gemeinsam festlegen«, antworte ich. Meine Stimme klingt kratzig. Vor angespannt, verhaltener Freude. Ich räuspere mich, während Arla nachdenklich die Stirn verzieht. Ihr Mund bildet eine hinreißende Herzform, als sie die Lippen kräuselt.

»Ich bin ein Freigeist, Hurricane«, murmelt sie. Langsam dreht sie den Kopf, sodass ihr Blick nun an mir vorbei aus dem Fenster geht. Ihr Profil ist ebenso bildschön wie alles von ihr. Deus, was zur Hölle ist in mich gefahren?

»Soll heißen?«, erkundige ich mich mit rauer Stimme.

»Soll heißen, dass ich mich nicht bevormunden, einsperren oder beanspruchen lasse. Ich bin niemandes Eigentum und werde mich auch nicht dazu machen. Natürlich verstehe ich, dass du es nicht toll finden würdest, wenn ich andere Männer treffe, aber einige meiner besten Freunde sind nun einmal männlich«, erklärt sie und zuckt leicht die Schultern. Eine zarte Röte hat sich auf ihrer Haut breitgemacht und ich finde es himmlisch. Dadurch wirkt Arla noch wärmer und strahlender.

»Verstehe ich. Und es geht mir auch nicht um Mercúrio oder Amilcar, sondern um Typen wie Kerlon oder Plutão. Sexgeschichten, cordeirinho, keine Freundschaften.« Meine Erklärung scheint sie nicht einmal zu überraschen, ebenso wenig, dass ich diese beiden Arschgeigen als einfache Sexgeschichten abtue. Vermutlich weiß sie, dass ich recht habe. Abgesehen davon, wirkt es nicht, als würde sie sich für ihre Sexualität schämen. »Oder andere Typen, die du gewöhnlich auf Partys oder sonst wo kennenlernst. Wenn du mir – beziehungsweise uns – diese Chance gibst, dann erwarte ich eine Art Exklusivität.« Ich habe das Gefühl, dass ich mich um Kopf und Kragen rede, doch wie soll ich ihr meine Gedanken anders begreiflich machen? Langsam nickt sie, dann baut sie den Blickkontakt wieder auf.

»Darf ich darüber nachdenken?« Kurz schwappt die Enttäuschung in mir empor, aber ich dränge sie zurück. Überspielend erwidere ich nickend ihr Lächeln. Foda. Was habe ich mir dabei eigentlich gedacht?

Unruhig drehe ich mich wieder in Richtung Lenkrad, schnalle mich an und drehe den Schlüssel im Zündschloss. Ein massiger Kloß hat sich in meiner Kehle gebildet, allerdings bekomme ich ihn auch nach mehrmaligem Schlucken nicht heruntergewürgt. Das niederschmetternde Gefühl möchte einfach nicht verschwinden. Im Prinzip habe ich ihr mein Herz verbal vor die Füße gelegt und sie hat es kommentiert mit: ›Ich muss darüber nachdenken.‹Womöglich ist ihr die Tragweite nicht einmal bewusst, darum kann ich ihr keinen Vorwurf machen.