KAPITEL 19

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ARLA

»Sie müssen also beachten, wenn Sie sich für die medizinische Mikrobiologie entscheiden, werden Sie sich überwiegend auf Pathogene und ihre Rolle bei Krankheiten konzentrieren müssen. Wohingegen die Mikrobiologie ein breiteres Feld der Untersuchung von Mikroorganismen umfasst.« Müde lasse ich den Kopf auf meine Handinnenfläche sinken, während ich angestrengt versuche die Augen offen zu halten.

Die halbe Nacht habe ich kein Auge zugemacht und die andere Hälfte habe ich nur Blödsinn geträumt. Die Professorin rattert noch einige Informationen zu den Unterschieden der Organismen herunter. Lustlos mache ich mir einige Notizen, kritzle Smiley und Blumen auf den Rand meines Blocks. »Sollten Sie sich für die medizinische Mikrobiologie entscheiden, lassen Sie sich von mir sagen, dass diese Art zwar Spaß macht, allerdings bin ich eine hingebungsvolle Verfechterin der allgemeinen Mikrobiologie«, spricht sie weiter. Im Hörsaal brandet Lachen auf, allerdings stimme ich nicht mit ein.

Meine Sitznachbarin blickt mich verwirrt an, denn bislang bin ich nie derart still oder lustlos gewesen. Biologie – jeder Bereich dieses Studiums – ist schon eine ganze Weile meine Passion gewesen, doch im Augenblick scheine ich an all meinen Zweifeln zu zerbrechen. In jeder Hinsicht.

Nach der Vorlesung verlasse ich das Gebäude in Richtung cantina. Das Universitätsgelände ist überfüllt mit Studenten, Professoren, Dozenten und anderweitigen Angestellten. Einige Kommilitonen haben denselben Weg eingeschlagen, sodass ich in einer großen Gruppe umherschleiche, damit mich niemand direkt anspricht.

Doch dieses Glück ist mir nicht vergönnt. »Versteckst du dich?« Mercúrio taucht schräg hinter mir auf und schlingt seinen Arm um meine Schulter.

»Anscheinend nicht sonderlich gut«, antworte ich missmutig.

»Welche Laus ist dir über die Leber gelaufen? Oder hast du eine schwarze Katze gesehen und für den Rest des Tages Pech?« Mercúrio knufft mir gegen die Schulter, drückt mich jedoch gleichzeitig enger an seine Brust.

»Einfach ein beschissener Tag«, nuschle ich. Die Treppen zur Kantine sind völlig überfüllt, aber es scheint, als könnte mein bester Freund mit einem Fuß auf der Treppe das Meer an Studenten teilen. »Könnten wir heute vielleicht nicht bei Lua sitzen?«

»Daher weht der Wind, okay. Na klar. Willst du mir erzählen, was passiert ist?« Ich schüttle den Kopf. Und wieder zeigt sich deutlich, weshalb Mercúrio mein bester Freund ist. Er nickt verstehend, ehe er mit mir zur Essensschlange geht. Nachdem wir unser Essen geholt haben, suchen wir uns einen Fensterplatz. »Wie war die Vorlesung?« Mercúrio schiebt sich eine Gabel Salat zwischen die Zähne.

»Gut. Informativ und interessant.« Ich presse die Worte hervor, obwohl die Galle in meinen Rachen steigt. Mir ist übel und gleichzeitig habe ich unfassbaren Hunger. Seit gestern Nachmittag habe ich keinen Bissen mehr herunterbekommen.

Mercúrio hat die Stirn verzogen, als ich den Kopf von meinem Teller hebe und ihn ansehe. »Schau mich nicht so an, Mercú«, schiebe ich hinterher. Langsam glätten sich die Falten auf seinem hübschen Gesicht.

»Schon gut. Bist du gestern mit Naira unterwegs gewesen?«

»Mir hätte klar sein müssen, dass diese Frage unvermeidlich in unserem Gespräch auftaucht«, grinse ich und beiße in meinen Wrap.

»Bist du?«

»Ja.« Meine wortkarge Antwort scheint ihn missmutig zu stimmen. Er wirft mir einen genervten Blick entgegen. »Wir waren Kaffee trinken, haben was zusammen gegessen und anschließend den Abend am Meer ausklingen lassen«, erzähle ich deshalb.

»Geht es ihr gut?«

»Schätze schon. Jedenfalls sah sie nicht traurig aus.« Ich weiß genau, weshalb er sich gestern Sorgen gemacht hat. Gestern ist einer dieser Tage gewesen, an denen Naira Ablenkung gebraucht hat. Sonst wäre sie in den Sumpf der Trauer und Verletzlichkeit gefallen.

HATE ME HARDERWo Geschichten leben. Entdecke jetzt