°°°9°°°

57 5 0
                                    

"Was sollen wir tun, Sir?", erkundigt Zola sich bei Schmidt. 
"Na was wohl, operieren", gibt dieser genervt zurück. 
"Aber...", zögert der blonde Wissenschaftler dennoch. 
"Nichts aber! Sie haben das schon viele Male getan, was ist bei dem hier anders?", fährt Schmidt ihn gereizt an. 
Wir beide zucken zeitgleich zusammen. Bettelnd sehe ich zu Zola auf, um seinen Zweifeln weitere Stärkung zu geben.
Wenn ich ihn überzeugen kann, tut er mir das vielleicht nicht an... Er könnte verweigern... 
"Der hier wird nicht stillhalten", bemerkt Zola vorsichtig. 
"Dann paralysieren Sie ihn halt vorübergehend", brummt Schmidt genervt. 
Erschrocken schreie ich auf und bettle erneut. Paralysieren heisst nicht betäuben und den Schmerz unterdrücken. Es bedeutet zu lähmen, womit ich noch immer alles spüren müsste, ohne mich wehren zu können! 
"Natürlich", gibt Zola nach und schickt einen seiner Assistenten los. 
Wimmernd versuche ich seine Aufmerksamkeit auf mich zu ziehen. Ihm zu zeigen, wie sehr ich mich fürchte. 
Doch er ignoriert mich gekonnt. Ich bin nicht der Erste, der sein Mitleid versucht zu wecken. 

Als der Umpa Lumpa wiederkommt hat er tatsächlich eine Spritze und ein kleines Gläschen dabei. Aus lauter Angst schreie ich und versuche gewaltsam den Arm aus der Fessel zu reissen. Aber ohne Erfolg. 
Die zwei Gehilfen halten meinen Arm ruhig, damit die Nadel trifft, während Zola die Spritze ansetzt. Mit Grauen spüre ich die Kanüle in meinen Arm eidringen und die kalte Flüssigkeit abgeben. 
Schluchzend verfolge ich mit, wie mein Körper mit der Zeit immer schwerer wird und ich die Kontrolle verliere. Mit allem was ich habe versuche ich mich gegen dieses schreckliche Gefühl zu wehren. 
Am Ende kann ich jedoch weder den kleinen Finger bewegen, noch einen Laut aus mit geben. Ich liege regungslos auf dem Tisch, während mir eine einzelne Träne entkommt. Meine Augen sind starr auf die Wand neben mir gerichtet. 
Trotz der Lähmung bin ich bei vollem Bewusstsein und bekomme alles um mich herum mit.
Ich spüre, wie die Leute mich von den Gurten befreien und auf den Operationstisch herüberrollen. 
Ich bemerke, wie sie ein Tuch aus Papier über mir auslegen und ein Loch darin in höhe meines Rückens schneiden. 
Ich höre wie Zola verkündet: "Fangen wir an. Zehner Skalpell bitte." 

Und dann versinkt alles in gleissendem Schmerz und höllischen Qualen. 

°°°

Stunden später liege ich zitternd und schwer traumatisiert auf dem Boden in dem Glaswürfel. Mein Blick ist starr auf das Labor vor mir gerichtet, während ich vor Schmerzen kaum atmen kann. 
Die Wirkung des Paralytika hat erst Ewigkeiten nach der Operation nachgelassen. Dennoch bewege ich mich keinen Millimeter. Nur das Zittern bezeugt, dass ich noch lebe. 
Der Schmerz ist noch immer genauso schlimm, wie während der Operation selbst. Mein Verstand gaukelt mir vor, dass noch immer Messer meine Haut aufschneiden und Pinzetten in meinem Fleisch herumstochern. 
Genauso wie während der Operation ist mir schlecht von diesem ekelerregenden Gefühl und ich würde am liebsten kotzen.
Aber das würde bedeuten, dass ich mich bewegen müsste. Ich würde auch meinen Rücken anspannen müssen. 
Die alleinige Angst davor erlaubt es mir, meinen Mageninhalt bei mir zu behalten. 

In Gedanken schreie ich so laut ich kann. Ich schreie, kreische, rufe um Hilfe. Hoffend dass mich jemand hören kann. 
Aber um mich herum bleibt alles ruhig. Das Labor liegt im Halbdunklen und kein Mucks ist zu hören. 
Nichts was auf mein inneres Schreien durch diese Hilflosigkeit hinweisen könnte. 
Nur mein Zittern und die gelegentlichen Tränen. 

Es tut weh. Mein Rücken tut so verdammt weg, dass ich jetzt gerade hoffe, betäubt werden zu dürfen. 
Ich bin müde, denn ich habe seit Tagen nicht richtig geschlafen. Immer nur in der Narkose das Bewusstsein verloren. Aber nie erholsam geschlafen. 
Jedoch tut mein Rücken so weh, dass nicht einmal an Entspannung zu denken ist. 

Mit der Zeit beginne ich richtig zu weinen. Die Schluchzer halte ich so gut es geht zurück, weil sie in meinem Rücken weh tun. 
Aber die Tränen fliessen mir nun in Bächen über die Wangen und meine Lippen beben. Verschwitzt von den letzten Ereignissen zittere ich nun vor Kälte. 
Hilflos und verzweifelt weine ich. Aus lauter aufgebautem Druck formt sich meine rechte Hand zur Faust, während mein Rücken alleine bei dieser Bewegung aufbrüllt. ¨

Und dieses Brüllen trage ich an die Oberfläche. Ich schreie so laut auf, wie ich kann.
Allen Schmerz den ich fühle bringe ich durch ihn an die Oberfläche.
Das ganze Leid, dass ich in den letzten Stunden spüren musste bricht aus mir heraus. 
Die Hilflosigkeit ist so unglaublich leicht herauszuhören.
Denn sie dominiert diesen Schrei. 

All diese Gefühle beherrschen diesen Schrei. 

Schluchzend drücke ich meine Stirn gegen den kalten Betonboden unter mir. Der Schmerz bei dieser Bewegung ist kaum zu bewältigen. 
Aber der kalte Kontrast zu meinem wieder aufgeheizten Körper ist erleichternd. Er gibt mir etwas worauf ich mich fokussieren kann. 
Einen Ausweg aus den Schmerzen und dem Leid. 
Eine Ablenkung. 

Schluchzend beruhige ich mich mit der Zeit und lege meinen Kopf etwas entspannter auf dem Boden ab. Bis sich dadurch mein Rücken wieder bemerkbar macht. 
Ein schmerzlicher Laut verlässt dabei meine Lippen, während ich aufgebe. Es ist so viel leichter aufzugeben. Nicht mehr zu kämpfen einfach aufgeben und es akzeptieren. 
Eine Pause machen. Eine Erholungspause einzulegen und sich für den nächsten Kampf zu wappnen. 
Diesmal habe ich mich geschlagen gegeben. Aber das werde ich nicht noch einmal. 
Ich muss durchhalten. Bis ich entkommen kann. 
Oder bis jemand mich findet. 
Auf jeden Fall, bis ich diesem Alptraum entkommen kann. 

Und wenn ich das geschafft habe, dann - das schwöre ich mir - werde ich nie mehr auch nur ein einziges Produkt nutzen, welches Tierversuche hinter sich hat. 
Egal ob es ein Medikament ist, dass mir das Leben retten soll oder nur ein einfaches Duschgel ist. Ich werde nie mehr etwas auch nur anrühren, dass in einem Labor an lebenden Testobjekten ausprobiert wurde. 
Denn ich weiss jetzt, wie diese Wesen sich fühlen. Ich bin selbst eines. 
Und ich möchte nicht, dass wegen mir noch mehr Tiere solche Qualen erleben und durchleben müssen. Nicht für mich. 
Nie mehr. 

Viel eher schliesse ich mich einer Tierschutzorganisation an, welche solche Tiere rettet. Ihnen eine zweite Chane gibt. 
Denn falls ich jemals eine zweite Chance erhalte, durch eine Rettung. Dann möchte ich dieses Glück auch anderen Lebewesen dieser Welt zuteilkommen lassen. 

He is a fallen AngelWo Geschichten leben. Entdecke jetzt