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"Sam", bemerkt Steve nervös vor mir. 
Halbwegs nickend setze ich mich neben ihn auf einen der Stühle. Steve imitiert mich sogleich. 
"Ihr habt ihn gefunden", haucht er blass. 
Wieder nicke ich und beobachte ihn schweigend. Wenn Bucky herausfindet, dass Steve nun mit einer anderen Person verheiratet ist, bricht es ihm das Herz. Womöglich verliert er sogar seinen Kämpferwillen. Das wäre fatal.
"Wie geht es ihm?", fragt Steve besorgt nach. 
"Er hat schlimmes durchmachen müssen. Er ist sehr instabil und abhängig. Ich befürchte, dass er einen langen Weg vor sich hat", offenbare ich. 
Steve schluckt und senkt betroffen den Kopf. Ich selber muss mich ebenfalls kurz sammeln. 
"Er hat nach mir gefragt?", hakt Steve nach. 
"Ja. Und er fürchtet sich davor, dass du ihn nicht mehr liebst." 
Den Vorwurf in meiner Stimme kann ich nicht verbergen und mein missbilligender Blick zeigt direkt auf den Ring. Steve schluckt hörbar und spielt erneut mit dem Ring. 
"Es hiess er wäre tot. Und ich dachte, er würde wollen, dass ich eine neue Person kennenlerne und mich in sie verliebe. Ich glaubte er würde wollen, dass ich glücklich bin", berichtet er betroffen. 
"Bist du glücklich?", frage ich zurück. 
Steve sieht schuldig auf und nickt. Seufzend fahre ich mir durch die Haare und denke nach. 
Diese Botschaft wird Bucky jetzt gerade zerstören, da bin ich mir ganz sicher. 
"Und liebst du ihn noch?", frage ich trotzdem weiter. 
"Ja. Aber das spielt keine Rolle mehr. Ich bin verheiratet", beichtet er betroffen. 
Ich beuge mich nach vorne, stelle die Ellenbogen auf dem Tisch ab und lege meine Stirn in die Hände. Scheisse. 

"Ich bin ein Idiot. Ich hätte wissen müssen, dass er noch lebt", bemerkt Steve. 
"Ja das bist du", stimme ich ihm grummelnd zu. 
Angepisst hebe ich meinen Kopf und sehe ihn direkt an. Steve schluckt und senkt betroffen den Blick. 
"Können wir versuchen das vorübergehend auszulassen? Bucky muss erst gesund werden", schlägt Steve vor. 
Nickend stimme ich ihm zu, auch wenn ich kein Fan davon bin. Doch für Bucky ist es wahrscheinlich der beste Weg. Er wird es noch erfahren, aber erst muss er stärker werden. 
"Aber er darf nichts merken. Denn er könnte zusammenbrechen oder so", beschwöre ich Steve eindringlich. 

"Und du musst auf das Treffen vorbereitet sein", bemerke ich. 
Steve hebt alarmiert den Kopf und sieht mich schockiert an. 
"Er war dreieinhalb Jahre in einem Labor gefangen, welches Experimente an Menschen vornahm. Seine Genesung schreitet sehr gut voran und alle sind überrascht über seine Fortschritte." 
Ich halte inne und sehe Steve in die Augen. Die Befürchtung ist ihm ins Gesicht geschrieben. 
"Sie haben Bucky Flügel eingepflanzt. Sie sind wunderschön, doch ich glaube er hasst sie", tische ich Steve langsam die Wahrheit auf. 
Dieser schluckt besorgt und wird blass. 
"Er hat erzählt, dass sie ihn oft ohne Medikamente operiert haben. Er hatte unglaubliche Qualen erleiden müssen, welche ihn womöglich sehr verändert haben. Zudem hat er Dissoziationen und Panikanfälle. Er ist unberechenbar, aber keinesfalls gefährlich", fahre ich fort. 
Steve hat Tränen in den Augen und hält sich die Hand vor das Gesicht. Ich lasse ihm einige Zeit um es ein wenig zu verarbeiten. 

"Kann ich Bilder sehen? Damit ich mich vorbereiten kann?", fragt Steve nach einiger Zeit nach. 
Ich nicke verständnisvoll und hebe den Umschlag auf, den ich in meiner Hosentasche hatte. Vorsichtig öffne ich das Couvert. 
Sachte lege ich die Bilder chronologisch aus. Das erste zeigt Bucky als er hierher gebracht wurde. Das nächste, als er einen Tag hier war und das danach das erste Mal, nachdem wir seine Flügel befreit haben. Das letzte zeigt ihn heute Morgen. 
"Ihr überwacht ihn mit Kameras?", fragt Steve nach. 
Ich nicke schweigend. 
"Es ist das Sicherste. Ich bin so oft und lange bei ihm wie es nur geht, aber auch ich muss zwischendurch schlafen oder auf Toilette. Zudem bin ich Truppenleiter und muss mich mit meinen Leuten besprechen. Normalerweise tue ich das, während er schläft, aber er kann auch einmal unerwartet aufwachen", kläre ich ihn auf. 
Steve nickt und sieht zurück auf die Bilder. Mit einem traurigen Glänzen folgt er den Bildern. 
"Er hat viel längere Haare", beurteilt er flüsternd. 
Nickend bestätige ich ihn. Ganz zu Beginn war es nicht leicht ihn zu identifizieren. Aber seine Reaktion, als ich seinen Namen nannte, war eindeutig. 
"Erzählt er schon was genau ihm zugestossen ist?", möchte Steve wissen. 
Den Kopf hin und her wägend sehe ich zu ihm. Steve schluckt. 
"Er spricht kaum. Ich glaube ausser zu mir hat er noch zu keiner anderen Person ein Wort gesagt. Manchmal rutscht ihm etwas raus oder er macht Andeutungen. Aber bis jetzt hat er mir noch kaum etwas von seinem Grauen erzählt", beantworte ich ehrlich seine Frage. 
Steve nickt und sieht zum letzten Foto zurück. Darauf starrt Bucky aus dem Fenster und denkt nach. 
"Und er sucht viel Körperkontakt. Ich glaube davon hatte er immer nur sehr wenig, bis gar keinen", bereite ich ihn vor. 
Steve schluckt und sieht zurück zu mir hoch. 
"Bucky wollte immer kuscheln, wenn er Bestätigung gesucht hat. Er war einfach der Typ der gerne Liebkosungen teilte", berichtet er mir. 
"Hat er schon einmal zwei Stunden am Stück nach Nähe gesucht? Oder länger?", hake ich nach. 
Steve schüttelt überrascht den Kopf. 
"Nein, normalerweise reichte ihm eine halbe Stunde. Nach dem...Sex war es manchmal eine ganze. Aber das wäre selbst für ihn viel zu lange gewesen", gibt er besorgt zu. 
Nachdenklich nicke ich. In den letzten Tagen musste ich immer mindestens drei Stunden am Stück kuscheln. Wenn ich früher weg wollte wurde er immer unglaublich nervös. 
"Warum?", will Steve wissen. 
"Wie gesagt, er sucht einfach sehr viel Nähe. Und ich wollte wissen, ob das normal für ihn ist oder ob es etwas mit seinen Erlebnissen zu tun hat", gebe ich zur Antwort. 
Der Blonde nickt und sieht besorgt zur Tür. Ich folge seinem Blick und erkenne Natasha draussen. Sie sieht besorgt zu uns. 
Kurz schiele ich auf die Uhr um zu erkennen, dass Bucky sicherlich bald aufwachen wird. Ich nicke Steve zu und stehe auf. 
"Ich werde ihn auf das Treffen vorbereiten. Du kannst in zehn bis fünfzehn Minuten nachkommen. Und Steve? Kein Stress ja? Er kann das nicht gebrauchen." 
Steve nickt und bleibt verspannt sitzen. Ich trete aus dem Raum und gehe zurück zu Buckys Zimmer. 

He is a fallen AngelWo Geschichten leben. Entdecke jetzt