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Jedoch wache ich nur kurz darauf wieder auf. Mein Schlafrhythmus ist anders als Tag und Nacht, die ich nie bewundern durfte. 
Dazu kommen die Schmerzen durch die Flügel. Die Scheuerstellen brennen und jucken zugleich. Kratzen ist unmöglich weil ich kaum daran komme und es zudem nur schmerzhafter werden würde. 
Somit liege ich wach in dem Bett und versuche Sam nicht aufzuwecken. 

°°°

Kurz bevor die Sonne aufgeht erfasst mich ein merkwürdiges Gefühl. Automatisch sehe ich zur Tür und warte ab. 
Inzwischen habe ich das Gefühl eingeordnet. Es ist Zeit für den nächsten Besuch von Schmidt und Zola. 
Obwohl mir Sam versprochen hat, dass sie weggesperrt wurden, erwarte ich mit klopfendem Herzen, dass sie gleich eintreten. Was sie mit Sam machen würden, weiss ich nicht.
Aber ich weiss, was sie mit mir machen würden. Spritzen, Tests und weitere Untersuchungen. Würden sie mir auch wieder die Leiche des Helfers mitbringen? Um mich weiter mit dem Wissen zu foltern, dass ich jemanden getötet habe? 

Neben mir regt sich Sam, welcher sich verschlafen aufstützt und zu mir sieht. Mein Blick ist von der Tür gefangen, um die Ankunft der beiden Wissenschaftler mitzuverfolgen. Auch wenn ich weiss, dass sie nicht kommen. 
"Bucky, alles in Ordnung?", fragt Sam mit rauer und tiefer Morgenstimme. 
Sie ist so wundervoll, dass sie mir einen Schauer über den Rücken jagt. 
Doch ich wende meinen Blick noch immer nicht von der Tür ab. 
Schluckend erkläre ich ihm: "Ich werde das Gefühl nicht los, dass sie gleich kommen." 
Direkt nach meinen Worten setzt sich Sam ganz auf und klettert neben mich auf das Bett. Beinahe sofort dränge ich mich an ihn um Schutz und Hautkontakt zu suchen. Ganz vorsichtig legt Sam einen Arm um mich und spendet mir weitere Nähe. 
"Sie kommen nicht Bucky. Sie können dir nichts tun, weil wir sie weggesperrt haben", versucht er mich zu beruhigen. 
"Ich weiss, aber dieses Gefühl geht nicht weg. Um diese Zeit waren sie immer bei mir", berichte ich ihm. 
Meine Stimme ist viel höher als seine und vor Angst verzerrt. Ich schäme mich ein wenig dafür, dass meine Stimme längst nicht so attraktiv ist, wie die von Sam. 
Seufzend umgreift Sam meinen Oberkörper auch mit dem anderen Arm und zieht mich in eine Umarmung. Zitternd vor Wohlgefühl schliesse ich die Augen und nehme diese Geborgenheit in mir auf. 
"Am Anfang wird es schwer sein, diese Muster zu durchbrechen. Aber es ist schon einmal sehr gut, dass du verstehst, dass sie weg sind. Ich bin stolz auf dich, dass du das bereits in dieser Rekordzeit realisiert hast", muntert er mich leise auf. 
Dankbar und nun selber etwas stolz nicke ich. Vorsichtig lehne ich mich ein wenig mehr in die Umarmung und lege meinen Kopf an seine Brust. Ich höre Sam schmunzeln und wie er seinen Kopf auf meinen legt. 
Das Gefühl der drohenden Gefahr möglichst gut verdrängend geniesse ich den Körperkontakt. 

°°° 

Als die Zeit, in der normalerweise die Prozeduren stattfinden, vorbei ist, kann ich mich endlich entspannen. Auch wenn ich keine Schmerzen ausser den Flügeln gespürt habe, war ich aus Gewohnheit angespannt. 
Sam bemerkt die Veränderung in meinem Körper und streichelt mir sanft über den Oberarm. Erschöpft schliesse ich die Augen und lehne mich ein wenig weiter an ihn. 
Normalerweise schlafe ich nach den Tests immer ein. Weil bis zur nächsten 'Visite' die meiste Zeit verging und ich dadurch darauf geschlossen habe, dass dann Nacht ist. 
Aber offensichtlich habe ich mich geirrt. Und jetzt ist mein Tag-Nacht Rhythmus im Eimer. 

"Hey, alles gut?", meldet Sam sich flüsternd wieder zu Wort. 
"Mhm, bin nur müde", murmle ich gegen seine Brust. 
Sam lacht leise und hilft mir mich hinzulegen. Mir auf die Lippen beissend, durch das Netz an den Flügeln, lege ich mich seitlich hin. Sam deckt mich liebevoll zu und will aufstehen. 
Sofort kralle ich mich in sein Shirt und sehe ihn mit grossen, flehenden Augen an. Ich bemerke, wie er stockt und versucht mich einzuschätzen. 
"Ich bin direkt hier, du musst keine Angst haben, ja? Wenn du müde bist, dann sollst du schlafen", probiert er mir zu erklären. 
Jedoch schüttle ich nur verängstigt den Kopf. Mit einem hilfesuchenden Blick versuche ich ihn davon zu überzeugen, hier bei mir zu bleiben. 
Sams Augen füllen sich mit Mitleid und Trauer. Gleich darauf senkt er den Kopf und krabbelt zurück ins Bett. Dankbar dränge ich mich an ihn und geniesse den Körperkontakt, den er mir erlaubt. 
Mich nun wohler fühlend mummele ich mich bestmöglich ein und schliesse müde die Augen. 
Beinahe sofort schlafe ich ein. 

°°° 

Als ich wieder aufwache, liege ich noch immer an Sams Brust gekuschelt. Er hat seinen Arm behutsam über meine Schultern gelegt und darauf geachtet, dass er nicht an die Flügel kommt. 
Dankbar seufze ich und drücke mein Gesicht kurz gegen seine Brust. Gierig sauge ich seinen Duft ein, der nicht nach Leiche stinkt. 
Sam lächelt: "Hey, wieder wach? Hast du gut geschlafen?" 
Schweigend nicke ich und löse mich wieder von seiner Brust. Müde sehe ich zu ihm hoch, während er mich sanft anlächelt. 

"Ich habe einen Eingriff gebucht, um deine Flügel zu befreien", offenbart er mir dann. 
Schluckend spanne ich mich an. Wieder eine Operation. Werden sie so nett sein und mir Schmerzmittel geben? 
"Keine Sorge, sie werden dir eine Narkose geben. Du wirst in dieser Zeit schlafen", verspricht Sam mir. 
Hoffnungsvoll sehe ich zu ihm hinauf. Sie sind wirklich so nett? Lassen sie mich wirklich eine ganze Operation unter Narkose? Das klingt irgendwie so unwirklich nach all der Zeit. 
"Hey, was ist los? Wieso glaubst du mir nicht wirklich?", bemerkt Sam. 
"Sie haben mir nie Narkose zugestanden. Ich musste immer alles spüren, was sie getan haben", beichte ich ihm zitternd. 
Bei diesen Erinnerungen beginnen mir Tränen über die Wangen zu laufen. Phantomschmerzen breiten sich in meinem Rücken aus und ich bekomme schlechter Luft.
"Bucky, hey. Das tut mir unglaublich leid und ich verspreche dir, dass du das nie wieder durchmachen musst. Ich werde nicht zulassen, dass während diesem Eingriff auch nur die Möglichkeit besteht, dass du etwas spüren könntest. Okay?", schwört Sam mir eindringlich.
Ich nicke abgehackt und dränge mich zurück an seinen Körper. Die Schmerzen - echte und falsche - an meinem Rücken verdränge ich bestmöglich. 

He is a fallen AngelWo Geschichten leben. Entdecke jetzt